Wie der Bauzulieferer die Krise er- und sehr gut überlebte Rotos Bilanz in Barcelona

Die Bilanz nach der Krise fällt bei der Roto Frank AG besser aus als erwartet. Doch Euphorie ist fehl am Platz. Der Bauzulieferer konzentriert sich weiter auf die Entwicklung zukunftsfähiger Technik.

file_download Downloads zu diesem Artikel

Es stürmt an diesem Abend in der katalanischen Millionenmetropole am Mittelmeer. Die Palmen in der Hafenstraße biegen sich im Wind, die Haare von Touristen und Einheimischen in den Gassen der Altstadt flattern wild durcheinander. Die Schirme einiger älterer Herrschaften, die sich vor dem Nieselregen schützen wollen, verweigern immer wieder ihren Dienst. „Dieser Sturm ist sinnbildlich für das Jahr 2009“, sagt Roto- Vorstandsvorsitzender Dr. Eckhard Keill am nächsten Morgen zur Begrüßung des fünften internationalen Fachpressetags in Barcelona.

Doch die Bauzulieferer-Gruppe habe sich in der Krise – wider Erwarten – nicht nur besser als andere behauptet, sondern komme auch besser als viele andere aus ihr heraus. Es habe sich gezeigt: „Der Markt ist zwar global, aber kein Naturgesetz.“ Trotz einer „außerordentlich positiven Firmenkonjunktur“ warnt Keill vor zu viel Euphorie. Vor allem der Bausektor bremse nach wie vor die Konjunktur und sei vom Vorkrisenniveau noch immer weit entfernt. Roto geht davon aus, das Jahr mit einem zweistelligen Umsatzplus in beiden Unternehmensdivisionen abzuschließen. Für die Sparte Fenster- und Türtechnologie meldet Finanzvorstand Michael Stangier einen Anstieg der Verkaufserlöse um 16 Prozent verglichen mit der Vorjahresperiode. Während das Deutschland-Geschäft um zirka fünf Prozent gewachsen ist, hat Roto im Ausland gleich um satte 20 Prozent zugelegt. Ein gutes Beispiel für die erfreuliche Entwicklung des Unternehmens ist Südeuropa. Im Gastgeberland Spanien hat der Beschlaghersteller laut Stangier mit weltweit zirka 4.000 Mitarbeitern in „einem weiter rückläufigen Markt“ ebenfalls zweistellig zugelegt. Auch deshalb hat die Bauzulieferer- Gruppe erneut nach Barcelona eingeladen. Roto-Wachstumsmärkte sind außerdem Russland und Asien. „Probleme haben wir dagegen in Südosteuropa, namentlich in Tschechien, Ungarn und der Slowakei“, räumt der Finanzchef ein.

Erfreulich entwickelte sich trotz der stürmischen Zeiten auch die Division Dach- und Solartechnologie. „Auch hier haben wir per Ende September den Umsatz um 16 Prozent steigern können“, freut sich Roto-Chef Keill. In dieser Sparte seien das Inlandsgeschäft mit einem Plus von 25 Prozent und besonders die starke Nachfrage nach Energiedächern der eindeutige Treiber. Natürlich hätten Förderprogramme ihren Teil zum Erfolg beigetragen, doch Keill sieht solche Marktanreize durchaus mit gemischten Gefühlen.

Er kritisiert die Stop-and-Go-Politik, die seiner Meinung Verbraucher zur Schnäppchenmentalität erzieht. Sobald Förderungen eingestellt würden, spiele die Welt im Bereich solarthermischer Produkte verrückt. Das spüre Roto deutlich. Insgesamt rechnet das Unternehmen damit, dass der Gruppenumsatz 2010 um zwölf bis 13 Prozent auf 620 bis 630 Millionen Euro klettert. „Die Möglichkeit, dass Roto am Ende den höchsten Umsatz der Firmengeschichte erzielt, ist also durchaus realistisch“, freut sich der Vorstandschef. Die bisherige Bestmarke lag im Jahr 2008 bei 621 Millionen Euro.

Worin der Erfolg von Roto besteht? Keill nennt auf diese Frage fünf Gründe: „Die ausgezeichnete Lieferperformance, die Kundenorientierung, die hohe internationale Kompetenz, engagierte und qualifizierte Mitarbeiter sowie das marktgerechte und innovative Produktsortiment.“ Außerdem lehne Roto es ab, nur den – im Übrigen durch die jüngste VFF-Kampagene geprägten – Slogan „Neue Fenster sparen Geld“ als Credo zu verfolgen. „Für uns sind Fenster ein hochemotionales Thema und nicht reine U-Wert-Geldwechselmaschinen“, sagte Keill. Vielmehr Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels und für jeden sichtbares Gestaltungselement. Für Marketingleiter Udo Pauly basieren die Markterfolge auf regelmäßigen Länder- und Wirtschaftsraumanalysen. „Dabei profitieren wir von sehr guten Vor-Ort-Kontakten.“ Und auch Roto nehme den „grundsätzlichen Trend“ zu höheren Flügelgewichten sehr bewusst wahr. „Dieses Segment ist hochattraktiv für den Markt“, sagt Pauly. Mit dem Anspruch an große Fenster steige auch die Erwartung an den Bedienkompfort. Roto biete deshalb Lösungen für montagefreundliche Fenster für alle Öffnungsarten und Materialien. „Auch Handwerker können mit speziellen Problemlösern hier neue Absatzmärkte erschließen“, glaubt Pauly. Gerade Fensterhersteller sollten sich seiner Meinung nach verstärkt der Baumontage widmen. „Aber es muss kritisch geprüft werden, ob statt Dreifachglas nicht auch hochwertiges Zweifachglas seinen Dienst tut.“

GFF hat nachgefragt bei Roto- Marketingleiter Udo Pauly
GFF: Die Roto-Marktforschung hat untersucht, wie sich die Fensterflügelgewichte in Zentraleuropa innerhalb von zehn Jahren verändert haben. Was ist das Ergebnis?
Pauly: Die Untersuchung belegt, dass sich die Gewichtsklassen seit dem Jahr 2000 bis heute sukzessive nach oben verschoben haben. Der Marktanteil der bis 50 Kilogramm schweren Flügel beträgt heute 80 Prozent, während er vor zehn Jahren noch bei 90 Prozent lag. Im gleichen Zeitraum stiegen die Quoten der 50 bis 80 beziehungsweise mehr als 80 Kilogramm schweren Fensterflügel von 9,5 Prozent auf 16 Prozent bzw. von 0,5 auf vier Prozent. Speziell bei großen schweren Fenstern mit mehr als 130 Kilogramm Gewicht erhöhte sich das Marktvolumen.

GFF: Was heißt das für die Beschlagindustrie?
Pauly: Die Leistungsfähigkeit der Beschlagindustrie hängt entscheidend davon ab, wie sie die Herausforderungen in Sachen Bedienkomfort und Windlasten bzw. Dichtigkeit bewältigt. Komfortrelevant ist, dass sowohl größere Flügel als auch der Sicherheitsaspekt zu mehr Verschlusspunkten und Schließteilen führen. Höhere Gewichte belasten das Bauelement beim Kippen und Drehöffnen statisch wie dynamisch enorm. Trotzdem erwarten die Kunden gleich hohe Bedienkräfte und eine genauso lange Lebensdauer wie bei einem Standardfenster.

GFF: Der Beschlag ist also ein Schlüsselelement. Welche Lösungen hat Roto dafür parat?
Pauly: Roto bietet sichere und schnell verfügbare Komplettlösungen, die sich für alle Rahmenmaterialien, unterschiedliche Öffnungsarten sowie aufliegende und verdeckte Systeme eignen. Für Aluminiumfenster bis 130 Kilogramm gibt es die Aluvision T600 mit einem voll verdeckten Drehkipp- und Drehbeschlag. Ein aufliegender Beschlag für Holzfenster bis 200 Kilogramm (Drehkipp) und 300 Kilogramm (Dreh) ist die Innovation Roto NT Power Hinge. Auch für Schiebesysteme haben wir mit der Patio- Familie Lösungen bis 400 Kilogramm im Angebot.