Technikspezial Photovoltaik in der Fassade

Dreifachisolierglas, Sonnenschutz, thermisch getrennte Bauteile und andere Technologien haben sich schon zum Standard für den Bau energieeffizienter Gebäudehüllen entwickelt. Dagegen ist gebäudeintegrierte Photovoltaik aktuell noch ein Nischenprodukt mit Zukunftspotenzial.

file_download Downloads zu diesem Artikel

Auch wenn sich der Einsatz von Photovoltaik in der Fassade (BIPV) noch auf die Anwendung in einigen wenigen Vorzeigeobjekten beschränkt, nimmt die Zahl der Anfragen zu. Das bestätigt Christian Anders, Geschäftsführer von Anders Metallbau: „Wir bekommen immer regelmäßiger Anfragen. Langfristig bietet diese Technik ein gutes Marktpotenzial.“ Gerade mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die künftige Energieversorgung nach dem Atomunfall in Japan bietet der Einsatz von BIPV ein unglaubliches Potenzial: Nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar) eignen sich alleine in Deutschland 2,3 Milliarden Quadratmeter Gebäudefläche für den Einsatz von PV. Damit ließe sich zirka ein Drittel des ge - samten deutschen Stromverbrauchs decken. Diese Menge an Strom ist beachtlich, variiert allerdings mit der im Einzelfall eingesetzten PV- bzw. Modultechnik. Kristallines Silizium vs. Dünnschicht Die klassische Variante ist der Einsatz von mono- oder polykristallinen Siliziummodulen, die vielen Bauherren aus der Verwendung als Dachinstallation bekannt sind. Diese Module bieten einen hohen Wirkungsgrad von bis zu 20 Prozent, eine erprobte Langzeithaltbarkeit und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch Sondermaße lassen sich mit klassischen

Siliziumzellen einfacher als mit der Dünnschichtkonkurrenz realisieren. Der Nachteil dieser Technik liegt in der typischen, bekannten PV-Optik mit blauen oder schwarzen Flächen und sichtbarer Zellstruktur, die gerade in der Fassade zahlreiche Planer und Architekten abschreckt. Einen weiteren Nachteil bei senkrechter Bauweise nennt Architekt Attila Yücel, Leiter Architekturprojekte bei Würth Solar: „Siliziummodule haben immer eine leichte Bewegung innerhalb des Moduls. Bei senkrechtem Einbau ist diese Technik deshalb weniger formstabil als Dünnschichtmodule.“ Bei Dünnschichtmodulen werden die Halbleitermaterialien in einer dünnen Schicht auf Glas aufgedampft. Damit bieten diese Module die gleichen gestalterischen Möglichkeiten, wie sie von Glasfassaden bekannt sind. Durch die Produktionsweise haben die fertigen Dünnschicht-PV-Module eine hohe Formstabilität, die der des verwendeten Glases entspricht. Mittlerweile bieten verschiedene Hersteller semitransparente Modultypen an, die dann als Sonnenschutz eingesetzt werden und unterschiedliche Verschattungsgrade im Bereich von zehn bis 60 Prozent Lichtdurchlässigkeit ermöglichen.

Mit Ausstellfunktionen ist dann jedes einzelne PV-Modul als variabler Sonnenschutz nutzbar. Eine komplette Durchsicht ist mit fassadenintegrierter PV nicht möglich. Dipl.-Ing. Peter Lückerath, Solarexperte und Dozent für Elektrotechnik, weist auf einen weiteren Grund für die Dünnschichttechnik im Fassadeneinsatz hin: „Eine nicht ausreichende Hinterlüftung von Fassadenmodulen führt zu hohen Modultemperaturen. Dies wiederum senkt bei kristallinen Zellen deutlich die Erträge.“ Bei der Dünnschichttechnik ist dagegen der Leistungsverlust infolge hoher Temperaturen geringer. Diese Module zeichnen sich auch durch ein besseres Schwachlichtverhalten aus. Die Ertragseinbußen sind bei nicht optimaler Ausrichtung und Neigung also ebenfalls geringer als bei kristallinem Silizium. Als Nachteil haben Dünnschichtzellen aktuell je nach Technik einen zwischen 30 und 50 Prozent geringeren Wirkungsgrad als Siliziumzellen, die bei 20 Prozent liegen. Die CIGS-Technik schafft zirka 13 Prozent. Deshalb muss eine größere Fassadenfläche mit Dünnschichtzellen besetzt werden, um die Gesamtleistung von Silizium zu erreichen. CIGS-Versuchszellen im Labor erreichen mittlerweile sogar einen Wirkungsrad von 20,1 Prozent. Die Kosten für Dünnschicht-PV in der Fassade liegen je nach Technik und Montage zwischen 350 und 850 Euro pro Quadratmeter. In diesem Preis sind die Unterkonstruktion, Wechselrichter und Verkabelung inbegriffen. „Generell sind die Kosten niedriger, je früher die Einbindung der Photovoltaikanlage geplant wird“, sagt Yücel.

Bereits in der Planungsphase der Fassadenkonstruktion sollten Planer und Architekten die Integration von PV prüfen. Das ist zwar auch nachträglich möglich, aber aufwändiger und deshalb deutlich teurer. Zu den Gestaltungsvorteilen der Dünnschichttechnik kommt die Möglichkeit, farbige Module einzusetzen. Würth Solar bietet durchgehend opake Module in Ziegelrot, Grün, Gelb, Weißgrau und Blau. Aus architektonischer Sicht spricht schon heute vieles für die Dünnschichttechnik. Flexibel einsetzbar Egal, für welche Zelltechnologie sich der Fachbetrieb oder seine Kunden entscheiden, die Module lassen sich in fast allen bekannten Fassadenkonstruktionen verbauen. Als wichtigste und gängigste Varianten nennt Dipl.-Ing. (FH) Claudia Hemmerle vom Institut für Baukonstruktion der Technischen Universität Dresden vorgehängte, hinterlüftete Fassaden (Kaltfassade) und Pfosten-Riegel-Konstruktionen. Möglich sind allerdings auch Elementfassaden und Doppelfassaden mit PV-Zellen. Zusätzlich laufen Versuchsprojekte mit der Integration von Dünnschichtphotovoltaik in Wärmedämm- Verbundsysteme (WDVS). Dadurch würde sich das Einsatzpotenzial auch im Privatbau massiv vergrößern. Kaltfassaden lösen besonders das Problem hoher Temperaturen der PV-Zellen durch ihre gute Lüftung.

„Aber auch eine Integration in Fens - ter, Türen, Schiebesysteme oder in Lichtdächer ist bei Schüco-Lösungen ohne Probleme realisierbar“, sagt Frank Zimmermann, bei Schüco International Leiter Produktmanagement und Entwicklung von Fassaden-, Sonnenschutz- sowie Sicherheitssystemen. Weitere Vor- und Nachteile der verschiedenen Fassadenkonstruktionen in Verbindung mit PV lesen Sie in Tabelle 1. Aktuell dominieren noch Elemente, die auf der Baustelle fertig montiert werden. „Das liegt am starken Einfluss der PV-Industrie. Wenn die Bauindustrie PV in der Fassade für sich entdeckt, wird der Anteil vorgefertigter Elemente bis hin zur Elementfassade deutlich zunehmen“, ist sich Hemmerle sicher. Auf Fachbetriebe, die sich im Fassaden- PV-Markt etablieren wollen, warten abgesehen von den konstruktiven Herausforderungen die meist ungewohnten Tücken der Elektrotechnik. Wer PV-Anlagen planen, in Fassadenelemnte integrieren und montieren will, muss sich entweder selbst zur Fachkraft für Solartechnik oder zum Solarteur weiterbilden lassen oder eine entsprechende Fachkraft einstellen, vorzugsweise einen Meister der Elektrotechnik; denn nur der darf die Solaranlage zum Schluss an das Stromnetz anschließen. Fortbildungen zur Solarfachkraft bieten aktuell mehrere Handwerkskammern an. In jedem Fall ist die Koordination der verschiedenen Gewerke eine der wichtigsten Kontaktstellen, wenn die Schnittstelle Fassade bzw. Elektroinstallation nicht zum Kurzschluss führen soll.

„Wir haben für die Beratung von Kunden, die Konstruktion, Montage sowie Regelund Messtechnik aller elektronischen Bauteile unserer Fassaden entsprechend ausgebildete Fachkräfte eingestellt“, verrät Metallbauer Anders. Als Alternative dazu bietet sich gerade für kleinere Betriebe die Kooperation mit Fachunternehmen aus Elektrotechnikgewerken an, die auch mit der Solartechnik vertraut sind. Bei der Montage gibt es geringfügige Unterschiede zwischen Kalt- und Warmfassaden. Für PV-Kaltfassaden führt der Fachmann die Unterkonstruktion analog zu konventionellen Kaltfassaden aus. Je nach Leitungsverlegung muss er zusätzliche Löcher in die Unterkonstruktion bohren. „Die Installation der PV-Module erfolgt ähnlich wie die von Glas als Füllungselement“, sagt Schüco-Experte Zimmermann. Bei Warmfassaden, Lichtdächern und Fenstern steht der Verarbeiter grundsätzlich vor ähnlichen Aufgaben. Da hier eine absolut dichte Ausführung des Tragwerks entscheidet, muss aber der Fachbetrieb außer den zusätzlichen Bohrungen weitere Bauteile wie speziell für die Leitungsführung erforderliche Leitungstüllen etc. vorsehen und eindichten.