Zukunftsweisende Glasklebetechnik Photovoltaik-Fassade ohne mechanische Befestigung

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Für ein Forschungsprojekt wurde die Fassade eines Bürogebäudes in Stuttgart mit Photovoltaik-Modulen versehen. Die Elemente sind durch eine strukturelle, lastabtragende Klebung befestigt – ohne zusätzliche mechanische Sicherung.

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    Züblin-Bürogebäude: Dank des lastabtragenden Klebstoffs von Kömmerling fügen sich die PV-Elemente ohne mechanische Zusatzsicherung in die Architektur ein.
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    Für eine Verklebung ohne mechanische Befestigung ist das PV-Modul stufenförmig aufgebaut.
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    Das Siebdruckmuster auf den PV-Modulen greift das gezackte Profil der Holzlisenen auf.

Als eines der größten Bauunternehmen Deutschlands operiert die Ed. Züblin AG von ihrer Direktion in Stuttgart aus. Seit 2017 werden an der Fassade des Bürogebäudes Z3 lastabtragende Verklebungen von Photovoltaik-Modulen getestet. Die Umsetzung ist Teil des EU-Forschungsprojekts Construct PV, bei dem die Entwicklung von beispielhaften Anwendungen energieeffizienter gebäudeintegrierter Photovoltaikanlagen (BIPV) für opake Flächen in der Gebäudehülle im Mittelpunkt steht. Dank eines Klebstoffs von Kömmerling fügen sich die Elemente des Bürogebäudes ohne mechanische Zusatzsicherung in die Architektur ein.

Individuelle Gestaltung

Ab 2020 sollen alle Neubauten in den Mitgliedsstaaten der EU so viel Energie erzeugen, wie sie verbrauchen. Die strengen Richtlinien erfüllen PV-Anlagen, da sie gebäudenah erneuerbare Energie generieren. Ein Nachteil bisheriger BiPVs: Standardisierte Elemente machen eine individuelle Fassadengestaltung schwierig. Zudem stören Rahmen und mechanische Befestigungen optisch. Die Fassade in Stuttgart zeigt, das sich ästhetisch ansprechende Lösungen realisieren lassen.

Charakteristisch für das Niedrigst-energie-Gebäude Z3 sind die vor- und zurückspringenden 18 Meter hohen Lisenen aus brettschichtverleimtem, unbehandeltem Lärchenholz, die zur Verschattung beitragen. Sie stehen in Kontrast zu dazwischen liegenden Fassadenstreifen, bei denen sich Fenster und grafitgraue Glasbrüstungen abwechseln. Die Brüstungen aus ESG-Scheiben sind nach dem Structural-Glazing-Prinzip geklebt (siehe Kasten rechts) und an der Südfassade gegen Glas/Glas-PV-Module ausgetauscht.

Zulassung im Einzelfall nötig

Ausschlaggebendes Regelwerk für Structural Glazing (SG)-Fassaden ist die Europäische Technische Zulassung 002 (ETAG 002), sie unterteilt Fassadenkonstruktionen in vier Typen. Lastabtragende Verklebungen ohne ergänzende Haltevorrichtungen sind in den Vorgaben für Typ IV geregelt. In Deutschland sind Systeme der Typen I und II mit mechanischem Eigengewichtsabtrag zugelassen, so dass eine Dauerbeanspruchung der Klebefuge nicht zulässig ist. Für die Umsetzung der verklebten PV-Module am fünfgeschossigen Z3 musste eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) beantragt werden. Diese wurde durch Klebstoff und einen innovativen Aufbau der PV-Elemente erreicht. So steht die Frontscheibe der Glas/Glas-PV-Module seitlich über. Der Stufenaufbau erlaubt die unabhängige Verklebung der Front- und der Rückscheibe auf der Unterkonstruktion, so dass die Lastabtragung aufgeteilt wird.

Innovatives Innenleben

Kömmerling lieferte zwei Produkte für die Z3-Fassade: das 2K-Structural Glazing Silikon Ködiglaze S zur Verklebung der PV-Module und das Butyltape HelioSeal PVS 101 für das Innenleben. Die Wasserdampfsperre schützt den Modulzwischenraum vor eindringender Feuchte und stellt so die Langzeitstabilität der PV-Paneele sicher. Darüber hinaus unterstützte der Pirmasenser Kleb- und Dichtstoffhersteller den Genehmigungsprozess durch den rechnerischen Nachweis für die Klebefugen-Dimensionierung zwischen dem PV-Modul sowie der Unterkonstruktion.

Das Siebdruckmuster auf den PV-Modulen gestaltete das niederländische Architekturbüro Unstudio.Es greift das gezackte Profil der Holzlisenen auf, die dem Gebäude sein markantes Äußeres verleihen. Erst bei genauerem Hinsehen sind die PV-Module als solche überhaupt identifizierbar. Im Vorfeld hatte Unstudio eine Musterfassade mit gebäudeintegrierten PV-Möglichkeiten entworfen, die die vorgehängte hinterlüftete Fassade des Z3 illustrierte.

186 PV-Module

Insgesamt wurden an der Südfassade des Züblin-Bürogebäudes 186 Photovoltaik-Module in sechs Größen installiert. Die Fläche kommt auf eine Gesamtleistung von 30 Kilowatt-Peak und soll einen elektrischen Ertrag von 17.000 Kilowattstunden pro Jahr liefern. Diese Ausbeute würde reichen, ein durchschnittliches Einfamilienhaus (EFH) etwa für ein halbes Jahr mit Energie zu versorgen.