Windays 2019, Biel Neue Beschläge braucht das Land

Mehr als 350 Teilnehmer kamen ins Mekka der Schweizer Fensterbranche. Auf den neunten Windays in Biel ging es u.a. um die Anforderungen intelligenter Gläser, neue Fensterkonstruktionen – und die Frage, ob sich der Drehkipp-Beschlag überlebt hat.

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    Windays 2021
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    Windays findet dieses Jahr nicht – wie zuletzt im Jahr 2019 – als Präsenzveranstaltung statt: Die erstmalige Online-Session soll aber ebenso ein erfolgreich sein und die Teilnehmer informieren und zum Austausch anregen.
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    Mit Autowindow hat die Berner Fachhochschule ein neues Fenstersystem mit automatisiertem Beschlag entwickelt.
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    Die Fachausstellung nutzten die Fensterbauer zum Netzwerken – und um sich über neue Produkte zu informieren.

Fensterkonstruktionen und Beschlagsysteme, wie wir sie kennen, haben sich über Jahrzehnte bewährt. Dass dies aber nicht das Ende der Entwicklung sein sollte, machten auf den Windays 2019 die Referenten der Session „Das Fenster neu gedacht“ deutlich.

Fenster von morgen

Peter Schober, Abteilungsleiter Bautechnik und Fachbereichsleiter Fenster bei der Holzforschung Austria (HFA), stellte in seinem Vortrag „Innovative Konstruktionen – dank Vakuumglas“ sieben Prototypen mit schlanken Profilen vor, die bewusst keinen Drehkipp-Beschlag aufweisen. Inspiration habe sich das Forschungsteam auch aus anderen Branchen geholt. Stellvertretend dafür stehen das Vertikalschiebe-Fenster – das „Autofenster für das Bauwesen“, wie Schober verdeutlichte – oder das Drehschwenk-Fenster, das an die Bewegung einer Bustür erinnert. „Die Vakuumglas-Technologie bietet Chancen für Öffnungs- und Bewegungsrichtungen, die von dem gewohnten mitteleuropäischen Fenster abweichen“, sagte Schober. Zwar räumte er ein, dass an allen Konstruktionen noch Verbesserungsbedarf bestehe. Er ermutigte die anwesenden Fensterbauer aber, einzelne Ideen aus dem Vortrag mitzunehmen, die für sie einen Entwicklungsschritt bedeuten könnten.

Beschlag vs. Fensterdesign

Auch Christoph Rellstab, Leiter Höhere Fachschule Holz an der Berner Fachhochschule (BFH), befasst sich in Forschungsprojekten immer wieder mit neuen Fensterkonstruktionen. Seine These lautet: Eine Weiterentwicklung des Fensterdesigns ist schwierig, wenn sich am Parameter Beschlag nichts ändert. Reduzierte Flügelprofile seien mit herkömmlichen Lösungen ebenso wenig möglich wie die vernünftige Einbindung des Fensters in SmartHome-Lösungen. Bei einer Untersuchung habe sein Team beispielsweise festgestellt, dass insbesondere die Knackgeräusche der Beschlagsysteme beim Öffnen und/oder Schließen die zulässigen Grenzwerte überschreiten, so dass deren Einsatz in automatisierten Fenstern in Schlafzimmern gar nicht realisierbar ist.

Eine Lösung für die genannten Anforderungen haben die BFH-Forscher gemeinsam mit Maco im Projekt Autowindow erarbeitet. Rellstab stellte die Ergebnisse in seinem Vortrag „Einfach automatisiert – eine neue Verschlusstechnik für Fenster“ vor. Die neue Beschlaggeneration erlaubt demnach das automatische Entriegeln, Verriegeln und Bewegen des Fensterflügels bei gleichzeitiger Reduzierung der Rahmenquerschnitte. Der Beschlag sitzt im Blendrahmen statt, wie bisher üblich, im Flügel und besteht nur aus Lager-, Öffner/Schließer- und Verriegelungs-Einheit. Damit kommt das System mit viel weniger verschiedenen Beschlagteilen aus als konventionelle Konstruktionen. Auf der FENSTERBAU FRONTALE 2020 wollen die Forscher einen serienreifen Prototyp vorstellen.

Kosten sparen in der Fertigung

Urs Uehlinger, Leiter Kompetenzbereich Fenster, Türen und Fassaden an der BFH, zeigte anschließend auf, welche Vorteile die neue Verschlusstechnik des Autowindows auch in der Produktion mit sich bringt. Allein durch die deutlich verringerte Anzahl verschiedener Beschlagteile sowie durchgängig automatengerecht ausgelegte Standardbauteile lassen sich nach seinen Angaben über die gesamte Fertigungs- und Logistikkette beträchtliche Kosteneinsparungen erzielen, was wiederum zu einem Teil die höheren Materialkosten für den automatisierten Beschlag wettmache. In Bezug auf das Gesamtfenster, inklusive der Montage, halten sich die Mehrkosten laut Uehlinger in Grenzen. „Durch den erheblich gesteigerten Kundennutzen mit dem automatisierten Fenstersystem sollte es daher möglich sein, auch die Ertragssituation für die Fensterbaubetriebe zu verbessern.“

Vorfertigung als Chance

In einem weiteren Block ging es um die Rationalisierung und Digitalisierung im Fenster- und Fassadenbau. Roman Hausammann, stv. Leiter Kompetenzbereich Holzbau, Bauen im Bestand und Denkmalpflege an der BFH, erläuterte anhand eines neuartigen Hy­bridbausystems (siehe GFF 4/19, S. 26), welche Möglichkeiten ein hoher Vorfertigungsgrad bietet. Bei dem Bauprojekt Hello Lenzburg fertigt die auf Holzbau spezialisierte Firma Renggli die Wohnungen im Werk als Raummodule vor. Fensterbauer haben die Chance, als Subunternehmer des Holzbauers aufzutreten.

Wie Hausamman berichtete, habe man im laufenden Projekt zunächst Probleme gehabt, einen entsprechenden Lieferanten zu finden. Denn: Der Fachbetrieb hat Fenster, Außenlaibung, Store, Storenkasten und Motor als komplett vorgefertigte Systemkomponenten anzuliefern, die der Holzbauer in einem Stück in das Fassadenelement einsetzen kann. Für viele Unternehmen sei das Neuland, Hausamman hebt aber die Vorteile hervor: „Diese Vorgehensweise verkürzt sowohl Herstell- als auch die Montagezeiten und bietet den Fensterbauern Chancen, ihre Wertschöpfung zu steigern.“

Smarte Gläser erhöhen Aufwand

Am zweiten Tag der Windays stand zunächst das Thema Glas im Fokus. Thomas Stöckli, Dozent an der BFH, zeichnete den Weg nach, wie sich Glas vom einfachen Füllelement weiterentwickelt hat und heute zunehmend als intelligente Komponente zum Einsatz kommt. Dimmbare Gläser sind ein Beispiel dafür. Diese Funktionalität erfordert laut Stöckli zwangsläufig eine Vernetzung mit der Gebäudetechnik, diverse Schnittstellen seien zu berücksichtigen. Die Folge: „Die Ausführungsplanung wird komplexer – das kostet Zeit und Geld.“ Wichtiger werde zudem die Zusammenarbeit mit dem Architekten sowie mit dem Glashersteller und dem Elektriker. Andererseits betonte der Fachmann, dass Glas als Füllkomponente kein Auslaufmodell sei. Die moderne Beschichtungstechnologie erlaube es, bauphysikalische Werte einfach zu beeinflussen.

Großes Vertrauen in Fenster

In der Abschlusssession „Aus der Praxis für die Praxis“ gingen Peter Schober und Christoph Rellstab in einem Co-Referat der Frage nach, wie sicher unsere Fenster seien. Weil nicht nur die Fensterflächen immer größer werden, sondern auch die Stürme stärker, stelle sich die Frage, ob den aktuellen Normen entsprechende Konstruktionen den auftretenden Windlasten wirklich widerstehen können. Die beiden Experten kamen zum Schluss, dass die Fenster höchsten Windlasten standhalten – wenn sie richtig bemessen und korrekt ausgeführt sind sowie richtig genutzt werden. Aber man dürfe die auftretenden Lasten keineswegs unterschätzen. „Das Vertrauen der Bevölkerung in unsere Fenster ist sehr hoch“, sagte Schober – und zeigte Tornado-Videos, in denen Menschen die Zerstörung ihrer Nachbarschaft durch geschlossene Fenster hindurch beobachten. Dies sei ein Vertrauensvorschuss, dem es unbedingt gerecht zu werden gelte.

Die Jubiläumsausgabe der Windays findet am 15. und 16. April 2021 statt.