Wigatec auf Wachstumskurs "Ich brauche schnell 500.000 Euro für die Produktion"

Mit Mut und Entschlossenheit hat der Wintergarten- und Fensterproduzent Wigatec die Krise der vergangenen beiden Jahre zum Ausbau des Betriebs genutzt. Jetzt feierten Geschäftsführer Rudolf Richter und seine Mitarbeiter die Eröffnung der neuen Fenster- und Haustürenproduktion.

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Die linke Hand zeichnet eine lange Gerade in die Luft. Abrupt schneidet die Rechte quer eine scharfe Kante in die gedachte Linie: „Hier sägen wir mit unserer neuen Anlage die Aluminiumprofile zurecht“, demonstriert Rudolf Richter den Besuchern das Herzstück der neuen Fensterproduktion seiner Firma. Eine Million Euro hat der Unternehmer in die 1.000 Quadratmeter große Halle fünf für die Fensterund Haustürenfertigung investiert. „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss man sich für den nächsten Aufschwung rüsten. Außerdem ist mein Geld in der Firma besser angelegt als auf der Bank“, erzählt Richter seinen geladenen Gästen auf der Einweihungsfeier des neuen Stabbearbeitungszentrums. Ab Oktober 2011 produzieren seine Mitarbeiter im neuen Sinsheimer Werk in Schichten Metallfenster und verbinden die Profile selbst. Mit der neuen Fräsmaschine von Schüco lassen sich Sonderwünsche schneller und kosteneffizienter umsetzen. Fünf zusätzliche Fachkräfte hat Richter für die Fertigung eingestellt.

In vier Jahren soll sich das Projekt refinanziert haben. Entschlossenheit und das Zupacken im richtigen Moment, diese beiden Faktoren ziehen sich wie ein roter Faden durch die Unternehmensgeschichte des Wintergarten- und Metallfensterspezialisten. 1993 gründet der gelernte Techniker für Maschinenbau sein Unternehmen Wigatec und installiert mit einem Monteur Wintergärten bei Privatkunden. Schon nach den ersten Monaten macht der junge Betrieb 500.000 Euro Umsatz. „Irgendwann wollte ich dann einfach mehr Wertschöpfung und mich persönlich aus dem Montagegeschäft zurückziehen“, erinnert sich Richter. Also steigt er in die Wintergartendachfertigung ein. 2003 geht dann einer der Fenster- und Türenlieferanten von Wigatec bankrott. Der Geschäftsmann wittert seine Chance, aus dem Nachlass eine eigene Produktion aufzubauen, und nimmt Kontakt zu den Mitarbeitern der insolventen Firma auf. „Ich hatte vorher schon versucht, ein paar Mitarbeiter von der Firma abzuwerben. Deshalb war ich gut über die Situation informiert“, verrät Richter. Er trommelt die Kandidaten in einem Weinlokal zusammen und macht ihnen ein folgenreiches Angebot: „Wenn ihr alle bei mir anfangt, eröffne ich selbst eine Fensterproduktion.“

Am nächsten Morgen ist Richter auf dem Weg zum Flughafen, um in seinen Urlaub zu starten, als sein Telefon innerhalb von kurzer Zeit acht Mal klingelt. Die gesamte neue Mannschaft hat zugesagt. Wenige Minuten später ruft der Unternehmer bei seiner Bank an: „Ich brauche schnell mal 500.000 Euro für meine neue Fenster produktion.“ Noch im Urlaub kommt die Zusage des Kreditinstituts und innerhalb von drei Wochen wird die Fertigungs technik installiert. „Die eigene Fensterproduktion war für uns ein richtiger Sprung nach vorne“, sagt Richter. Einige Jahre später kauft er noch eine eigene Blechverarbeitung zu.

Seitdem steigt der Umsatz des Fachbetriebs in jedem Jahr weiter. Heute setzt Wigatec mit einer Produktionsfläche von 2.100 Quadratmeter und 40 Angestellten vier Millionen Euro pro Jahr um. Die Produkte werden auf dem 1.900-Quadratmeter- Betriebshof umgeschlagen, während die Kunden auf einer Ausstellungsfläche von 780 Quadratmeter fertig montierte Lösungen erleben. Zirka 60 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen mit der Produktion und Montage von Wintergärten und Überdachungen. Der Rest verteilt sich auf Haustüren, Metallfenster, Vordächer und Fassaden. Wiederum 60 Prozent der Kundschaft kommt aus dem Privatbereich, zirka 40 Prozent seiner Produkte verkauft Wigatec an den Fachhandel. Montageprojekte nimmt das Unternehmen im Umkreis von 50 Kilometer um Sinsheim an. Das Liefergeschäft an Fachbetriebe und den Fachhandel konzentriert sich auf Süddeutschland, Luxemburg und die Schweiz. Als Schlüssel für den Erfolg nennt Richter die Entwicklung neuer Produkte und Einzelanfertigungen auf Kundenwunsch, mit denen sich sein Unternehmen ein Alleinstellungsmerkmal verschafft und von Konkurrenten abhebt.

Zu den Vorzeigelösungen der Firma zählt ein geschlossener Raucher pavillon als Achteck mit Lüftungssystem, Infrarotheizung und Beleuchtung, den zum Beispiel das Reiseunternehmen Thomas Cook für seine Zentrale geordert hat. Am Bahnhof in Sinsheim stehen auch Bikepavillons, die abgestellte Fahrräder vor Wetter und Langfingern schützen. Als besondere Lösung im Kerngeschäft Wintergarten hat Wigatec ein spezielles, modulares Montagesystem entwickelt. Dabei werden Schraubfundamente eingesetzt, die ein betoniertes Fundament überflüssig machen. Darauf montieren Fachkräfte ein Rahmensystem, das den Bodenaufbau aus Wärmedämmung und Bodenplatten trägt. Als Bodenbelag setzt das Unternehmen eine Fliesenkombination aus Kunststoffrahmen und Wunschfüllung mit Holz, Stein oder anderen Materialien ein. Um spezielle Kundenwünsche im Bereich Metallbau zu erfüllen, hat Richter eine eigene Schlosserei eingerichtet, die Balkone und Geländer fertigt. Eigene Elektriker sorgen für die Einbindung von Automationslösungen in Wigatec-Produkte. Trotz des Wachstums in den vergangenen Jahren sieht Richter sein Unternehmen immer noch als Handwerksbetrieb: „Wir montieren mit eigenen Mitarbeitern, und viele Angestellte in der Produktion haben eine handwerkliche Ausbildung. Das betonen wir auch bei den Kunden.“

Diese Tradition soll Sohn Andreas irgendwann weiterführen. In vier bis fünf Jahren will der Glasermeister seinen Vater ablösen. „Bis dahin bin ich aber froh, wenn mir mein Vater alle nötigen Tricks für das Geschäftsleben beibringt.“ Als einen der wichtigsten Erfolgspunkte nennt Geschäftsführer Rudolf Richter, immer ein offenes Ohr für den Kunden zu haben und seinen Bedarf abzuschätzen. „Dann muss ich meine Produkte genau auf diesen Bedarf zuschneiden. Standard ist tabu, schließlich müssen wir uns vom Hornbach unterscheiden“, skizziert der Seniorchef seine Philosophie. Für sein Unternehmen sieht Rudolf Richter gutes Zukunftspotenzial: „Gerade Wintergärten werden immer beliebter, weil die Menschen aufgrund des gesunkenen Vertrauens in die Kapitalmärkte lieber in ihr Zuhause investieren.“ Mit viel Glas öffnet der Wintergarten das Haus zur Natur hin und stärkt den Wohlfühlfaktor der eigenen vier Wände. Selbst reinigendes Glas löst weitgehend das Verschmutzungsproblem bei großen Glasflächen. Regelrecht explodiert ist in den vergangenen beiden Jahren laut Richter die Sparte Sommergärten, die im Winter als Wohnraum nicht nutzbar sind.