Pro & Contra Hat der Drehkipp-Beschlag schon bald ausgedient?

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    Urs Uehlinger (li.) ist Leiter des Kompetenzbereichs Fenster-, Türen- und Fassadentechnik an der Berner Fachhochschule (BFH); Claus Rellstab ist Leiter der Höheren Fachschule Holz Biel.
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    Dr. Eckhard Keill ist Alleinvorstand der Roto Frank Holding AG.

Aufgrund komplexer Mechaniken sind unsere heutigen Beschlagsysteme schwierig zu motorisieren und zu automatisieren. Genau dorthin wird aber die Entwicklung gehen. Wir gehen davon aus, dass das Thema Lüften in Zukunft wieder verstärkt zum Fenster zurückkehrt und der Nutzer kontrollierte, zentrale Wohnraumlüftungssysteme als eher kritisch ansieht. Die Folge: Es braucht SmartHome-fähige Fenster, die die Lüftung automatisch und autonom sicherstellen. Drehkipp-Beschläge sind hierfür nicht die ideale Lösung. Vor diesem Hintergrund lautet unsere Aussage, dass der Drehkipp-Beschlag wenig zukunftsträchtig ist. Hinzu kommt, dass die konstruktiven Vorbedingungen, welche diese Beschläge vorgeben – der Einbau erfolgt im Flügelrahmen – bei Neuentwicklungen zahlreiche Einschränkungen mit sich bringen. Wir haben Überlegungen angestellt und auch umgesetzt, das Beschlagsystem vom Flügel in den Blendrahmen zu verlagern. Daraus ergeben sich viele positive Möglichkeiten. Natürlich wird man für neue Beschlagsysteme Überzeugungsarbeit leisten müssen. Aber möglich ist die Umstellung auf jeden Fall. Zum einen können Fensterbauer mit solchen Lösungen aktiv auf den Markt gehen und sich dadurch von Mitbewerbern abheben. Andererseits wird der Markt selbst, wenn unsere These zutrifft, neue Lösungen fordern: Die Gebäude werden dann so geplant, dass Fenster in das SmartHome integriert sind und automatisch auf- und zugehen – und zwar geräuscharm. Drehkipp-Beschläge erfüllen das nicht.

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Wer den industriell gefertigten Drehkipp-Beschlag mittel- oder gar kurzfristig als Auslaufmodell betrachtet, will offenbar auch der in unseren Breitengraden dominierenden Fenster-Öffnungsart an sich an den Kragen. Die waghalsige Prognose wiederholt die entscheidenden Fehler vieler Zukunftskonzepte mit verengtem Blickwinkel. Konkret: Sie blendet das gesamte nachfragerelevante Umfeld schlicht aus; sie hat bei ihren alternativen Lösungen offenbar primär die winzige Zielgruppe des Millionärs am Wolfgangsee im Auge. Die Branche muss jedoch besonders dort dauerhaft wettbewerbsfähig sein, wo sie hohe Stückzahlen in guter Standardqualität braucht. Beispiel Wohnungsnot: Wer in einer solchen Phase glaubt, dass Investoren und Nutzer nach neuen, zudem (erheblich) teureren Beschlagkonstruktionen rufen, irrt fundamental. Um den akuten Wohnungsmangel zu beseitigen, dürfte auch in zehn Jahren im Neubau das Fenster mit Drehkipp-Beschlag State of the Art sein. Oder nehmen wir das Beispiel Fenster als Kulturgut. Wer als Kind mit Drehkipp aufwuchs und sich mit 30 oder 40 Jahren ein Haus baut, wählt mit hoher Wahrscheinlichkeit Drehkipp-Fenster und -Beschläge, weil sie ökonomisch, ökologisch, vertraut und zuverlässig sind. Im größten Segment Renovierung stellt sich die Frage nach einem grundlegenden Wechsel meist ohnehin nicht. Übrigens: Wie fortschrittlich und trendgerecht der Drehkipp-Beschlag ist, beweist seine permanente Evolution. Der famose Markterfolg des Roto NX-Systems bestätigt dies.

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