Wintergartenbauer aufgepasst Günther Weinbacher über die Wahl der richtigen Fugenabdichtung

Klare Worte zur Baustellenpraxis beim Kleben und Dichten gefunden hat Günther Weinbacher, Otto-Chemie, auf der Jahrestagung des Bundesverbands Wintergarten. GFF fasst zusammen.

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Der Mann gilt nicht nur als der Klebepapst. Als Schulungsleiter bei Otto, 80 Millionen Euro Umsatz mit 300 Beschäftigten, kennt er auch seine Pappenheimer. Um zu dokumentieren, dass auch im Wintergartenbau das Thema Abdichtungen mitunter leichtfertig gehandhabt wird, formuliert Weinbacher zu Beginn des Vortrags spitz „... und dann schmieren wir noch irgendwas rein.“ Fragen, die am Ende etwa zum Thema Primer kommen, machen allerdings deutlich, dass es in der Tat eine Menge Aufklärungsbedarf gibt. Über die anstehende Verschärfung der Kennzeichnungspflicht in Zusammenhang beispielsweise mit Lösemitteln wie Toluolen ist damit noch gar nicht gesprochen. Aber auch so lassen manche Wortmeldungen erkennen, dass zum Beispiel in Bezug auf Haftungsverbesserungen das Wissen um Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Produktgruppe Primer noch kein Allgemeingut ist. Überhaupt, die Haftflächen: „Die müssen sauber, fettfrei, tragfähig, trocken sein“, appelliert Weinbacher. Dann macht er eine Pause und verzieht das Gesicht, als hätte er beim Nüsseknacken versehentlich ein faules Exemplar übersehen und erst beim Kauen draufgebissen. Als Zuhörer erahnt man, dass der Experte wohl auf mancher Baustelle auch schon mit solch faulen Nüssen zu tun hatte. Er sagt: „Trocken, das ist nicht, wenn an der Fläche das Wasser runterläuft. Dann können Sie die Haftung vergessen.“ Dafür hat der Verarbeiter schnell mit einer anderen Art der Haftung zu tun, falls Weinbachers Worstcaseszenario eintritt: „Im für Sie ungünstigsten Fall können Sie die Fugen abdichtung nach zwei Tagen wieder ab ziehen.“

Allein, auch zu viel Haftung scheint nicht gut. So geht es dem international tätigen Seminarund Schulungsleiter nicht um Fußball, wenn er von Dreiflankenhaftung redet. Vielmehr erfüllt eine Fuge, in welcher der Dichtstoff an drei Fugenflächen haftet, ihren ureigensten Zweck nicht mehr: nämlich das schadensfreie Ausdehnen der verwendeten Werkstoffe, sei es infolge Feuchtigkeitsaufnahme oder schwerer Lasten, zu ermöglichen. Die Konsequenz sind Materialrisse, da sich der Dichtstoff in einer solchen Konstruktion nicht wie erforderlich bewegen kann. Wie aber lässt sich dem vorbeugen? Otto-Chemie, Spezialist für Kleb- und Dichtstoffe, rät dazu, die Rückseite der Fuge mit einer PE-Rundschnur abzudecken, damit der Dichtstoff dadurch Dehnbewegungen nachgeben kann.

Wonach aber richtet sich die Wahl der richtigen Fugenabdichtung? Der Verarbeiter, das machen Weinbachers Ausführungen in Siegen deutlich, sollte sich die Entscheidung nicht zu einfach machen. Hängt der spätere Erfolg doch davon ab, wie die gewählte Lösung mit diesen Aspekten zusammenpasst:

– den in Abhängigkeit von den verwendeten Werkstoffen und der späteren Nutzung zu erwartenden Bewegungen und Belastungen, etwa Zug-, Druck- sowie Scherbeanspruchung (siehe Grafik)
– der Beschaffenheit der Fugenflanken
– den Toleranzen
– der Fugengeometrie und den angrenzenden Materialien
– ggf. gestalterischen Belangen

Verschmitzt fasst der Referent zusammen, es werde viel verlangt von der Kleinen; gemeint ist die Fuge. In der Tat fordert beim Fenster-Wand-Anschluss, aber nichtsdestoweniger ebenfalls der Einbausituation im Wintergarten die Bauphysik Wärmeschutz (Wärmeschutzverordnung), Feuchteschutz und Winddichtigkeit (DIN 4108), Schall- (DIN 4109) und Brandschutz (DIN 4102 bzw. Landesbauordnungen); die Statik sieht die zwängungsfreie Aufnahme von Horizontal- und Vertikalverschiebungen benachbarter Bauteile vor sowie eine Übertragung von Normal- und Querkräften; die Ausführung muss jeder Witterung trotzen und Toleranzen bei Bauteilmaßen berücksichtigen; und das Ganze ist nur wirtschaftlich, wenn es wenig kostet, lange hält und selten repariert werden muss. Welche Beanspruchungen erwartet aber die Fuge im tatsächlichen Einsatz? Der Fachmann unterteilt vier Kategorien:

1. Bewegung: temperatur- und feuchtebedingte Bauteillängen änderungen sowie Verschiebungen infolge Bodenverformungen.
2. Witterung: Schlagregen, Windkräfte, infrarote und ultraviolette Sonnenstrahlung – das alles gilt insbesondere im Anwendungsfall Wintergarten und erfordert das Bestehen spezieller Testverfahren, die entsprechende Belastungen simulieren.
3. Chemikalien: Luftschadstoffe, Anstriche, Holzschutz- und Reinigungsmittel wirken auf die Konstruktion ein.
4. Sonstiges: Darunter fallen Brandbelastung, Außenlärm, mechanische Zerstörung.

Und schließlich heißt es in der Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung vom 29. April 2009: „Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft luftundurchlässig entsprechend den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist.“ So misst zum Beispiel nach DIN EN 13829 der Blower-Door-Test die Luftdurchlässigkeit. Dass unter diesem Diktat der Dichtigkeit mit Blick auf die größtmögliche Energieeinsparung neue Probleme entstehen, zeigt die höhere Luftfeuchtigkeit in modernen Gebäuden: Kondensat fällt an, Schimmelbildung droht. Wie akut das Thema ist, verdeutlicht Weinbachers Aufstellung: Der Feuchteeintrag durch den Menschen richtet sich je nach Aktivität zwischen 20 und 300 Gramm pro Stunde; baden, duschen, waschen 500 bis 800 Gramm pro Stunde; ein Kochvorgang 600 bis 1.500 Gramm pro Stunde. Die Angaben ließen sich fort - setzen und zeigen, dass überall, wo heute die Glasflächen an solchen Stellen mögliche Luftzirkulationen verhindern, neue Herausforderungen bewältigt werden wollen.

Vom Kleben nicht zu reden. Anders als PUKleber schäumen Hybride nicht auf. Das hat wie bei Dichtstoffen mit der Zusammensetzung zu tun: PU und Silicon härten chemisch, Acrylat härtet physikalisch aus. Hybriddichtstoffe ähneln in ihrem Reaktionsmechanismus Siliconen. Bleibt festzuhalten: Es lohnt sich, Einbausituation und die sich bietenden Lösungen genau zu analysieren; auch und gerade im Wintergartenbau.