Multifunktionale Gebäudehülle aus dem transparenten Werkstoff Gläserne Fassaden für die Klima- funktion und Energieproduktion

Modern, transparent und repräsentativ – große Glasfassaden liegen bei Bürokomplexen und Gewerbebauten im Trend. Doch energetisch und wirtschaftlich sinnvoll ist ihr Einsatz nur, wenn sie klimatisch funktionieren und zur Energieversorgung beitragen.

Energieeffizient: Die Glasfassade des neuen Automation Center der Firma Festo ist als Abluftfassade konzipiert und passt sich dank elektrochromer Fensterscheiben selbstständig an die Lichtverhältnisse an.

Die Industrie treibt die Entwicklung multifunktionaler Fenster- und Fassadenelemente voran. Das 67 Meter hohe, 16-geschossige Automation Center der Firma Festo im süddeutschen Esslingen liefert bereits einen Vorgeschmack auf die zukünftige Architektur. Das Gebäude basiert auf einem ausgeklügelten Energiekonzept. Seine Glasfassade mit einer Gesamtfläche von 8.500 Quadratmeter ist als so genannte Abluftfassade konzipiert.

Permanent saugt eine Anlage die Luft zwischen dem inneren Blendschutz, den Aluminiumbauteilen der Elementfassade und der Verglasung ab. Dadurch dringt Sommerhitze gar nicht bis in die Innenräume vor – der Kühlbedarf sinkt. Für Licht- sowie Wärmeschutz sorgt im neuen Festo-Hochhaus elektrochromes Glas, das der Nutzer nach Bedarf dimmt und damit die Sonnenstrahlen abblockt. Insgesamt haben Fassadenbauer 441 Sandwich-Scheiben mit einer Gesamtfläche von 1.000 Quadratmeter installiert.

Schaltung vollautomatisch

Die Innenseite der Elemente ist mit einer hauchdünnen Schicht aus Wolframoxid-Nanopartikeln bedampft. Beim Anlegen einer elektrischen Spannung färbt sie sich blau und reduziert so die Lichtdurchlässigkeit. Das geschieht im Automation Center über die Gebäudeleittechnik vollautomatisch; sobald Sensoren das Signal dazu geben, ist aber auch eine manuelle Bedienung per Knopfdruck oder via Touchscreen möglich. Die Schaltzeit von der hellsten bis zur intensivsten Färbung gibt der ostdeutsche Hersteller Econtrol-Glas mit 20 bis 25 Minuten an. Im gedimmten Zustand würden nur noch zwölf Prozent der Strahlung durchgehen, den Rest reflektieren die Nanopartikel. Econtrol-Glas hat in Europa fünf Projekte der gleichen Größenordnung mit insgesamt 15.000 Quadratmeter schaltbaren Fensterglases ausgestattet. Die Nachfrage steigt. „Das Bewusstsein für energieeffiziente Gebäude hat sich verbessert“, sagt Geschäftsführer Hartmut Wittkopf. Zur Wirtschaftlichkeit von elektrochromem Glas erklärt er: In der Anschaffung sei es zwar teurer als herkömmliches Isolierglas und verbraucht für den Schaltvorgang zusätzlichen Strom.

So rechnet sich schaltbares Glas

Dennoch mache sich eine Anschaffung bezahlt, weil sich durch das Licht- und Temperaturmanagement die Energieeffizienz eines Gebäudes entscheidend verbessert und weil es so möglich sei, auf eine äußere Verschattung z.B. mit Jalousien zu verzichten. „Wir gehen davon aus, dass sich Econtrol-Glas nach durchschnittlich vier bis sechs Jahren rechnet“, sagt Wittkopf. Econtrol-Glas ist nicht das einzige Unternehmen, das elektronisch tönbare Fassadenelemente anbietet. Auch Sage Saint-Gobain produziert diese Technik, die Fassadenspezialist Schüco als dynamisches Glas vertreibt. Auf der glasstec 2016 in Düsseldorf hatten Unternehmen die Möglichkeit, die Innovationen der Fassadenspezialisten genauer unter die Lupe zu nehmen und sich über die Trends zu informieren. So zählte Seeles neue Glasfassade zu den Exponaten der Sonderschau glass technology live, welche die Universität Stuttgart organisierte. Das Kompetenzcenter Glas + Fassade richtete sich mit seinem thematischen Angebot rund um den Schwerpunkt Glas an Fassadenplaner, Bauingenieure sowie Architekten.