Mitgliederversammlung in Karlsruhe GFF BW: Austritt aus BIV rückt näher

Nach der coronabedingten Verschiebung stimmen die Delegierten des Fachverbands GFF BW am 27. Juni darüber ab, ob Baden-Württemberg eine Zukunft im Bundesinnungsverband (BIV) hat. GFF fasst die aktuelle Stimmungslage zusammen.

Delegierten des Fachverbands GFF BW
Während der vergangenen Mitgliederversammlung in Karlsruhe haben die Delegierten des Fachverbands GFF BW ihre Unzufriedenheit mit der Geschäftsstelle des BIV zum Ausdruck gebracht. - © Metzger

Auf der Mitgliederversammlung des Fachverbands GFF BW im Herbst 2019 hatten die Delegierten einstimmig beschlossen, die Abstimmung über den Verbleib im BIV auf die Tagesordnung für den Frühjahrstermin zu setzen. Coronabedingt findet die Versammlung am 27. Juni 2020 statt, mit reduzierter Teilnehmerzahl – nur die Delegierten als gewählte Vertreter der Innungen sind anwesend, die geforderten Abstandsregelungen werden strikt eingehalten. Dass das Gremium vor Ende Juni entscheidet, ist wichtig – sollten die Mitglieder dafür votieren, dem BIV den Rücken zu kehren, soll die Kündigung zum 1. Januar 2021 wirksam werden. Die Kündigungsfrist beträgt ein ein halbes Jahr zum Ende des Rechnungsjahres.

Warum steht der Austritt zur Debatte?

Warum stimmt der Landesverband über den Austritt ab? Konkreter Auslöser war die vom BIV geplante Erhöhung der Mitgliedsbeiträge. Der GFF BW und seine Mitglieder bekannten im Herbst, diesen Schritt nicht mitgehen zu wollen, sofern keine Mehrleistung zu erwarten sei und der BIV die Bereitschaft vermissen lasse, sich in seinen Strukturen zu reformieren, um der Kostenfrage von anderer Seite zu begegnen – auf diese Weise hatte sich der Landesverband vor nicht allzu langer Zeit selbst neu aufgestellt. "Unseren Mitgliedern wird es schwierig zu vermitteln sein, dass Beiträge erhöht werden sollen, nur um den Status quo zu erhalten", hatte Landesinnungsmeister Jürgen Sieber im Vorfeld im Gespräch mit GFF zur Kostenfrage gesagt. Statt Mängelverwaltern brauche es Visionäre, die den Verband in die Zukunft führen und den Mitgliedern einen Mehrwert bieten.

Anzeichen für einen Wandel im BIV gibt es nicht. Das Problem sehen in Karlsruhe viele in der Person des Hauptgeschäftsführers Stefan Kieckhöfel. Mit ihm in der Geschäftsstelle seien keine großen Änderungen zu erwarten. Von daher kam bei den Delegierten zwangsläufig die Frage auf: Wäre es nicht sinnvoller, die mindestens 200.000 Euro, die der GFF BW in den nächsten fünf Jahren an den BIV zahlen müsste, in den eigenen Verband zu investieren? An Verwendungsmöglichkeiten mangelt es nicht – indirekt stimmen die Mitglieder am 27. Juni 2020 auch über diese Frage ab.

BIV: Neuanfang an der falschen Stelle

Interessant werden dürfte die Frage, wie sich die Ereignisse, die seit Herbst im BIV vonstattengingen, auf das Abstimmungsverhalten der Delegierten auswirken. Ein Überblick: Zunächst tritt im November auf der BIV-Mitgliederversammlung in Hamburg der komplette Vorstand zurück. Zuvor war bekannt geworden, dass die Vorstandsmitglieder Hermann Fimpeler, Michael Wolter, Michael Schulze und Udo Pauly dem u.a. vom GFF BW unterstützten Bundesinnungsmeister Martin Gutmann das Misstrauen ausgesprochen hatten und die Zusammenarbeit mit ihm verweigerten. Im Januar 2020 findet der BIV seine Handlungsfähigkeit wieder. Neben BIM Wolter kommen Guido Carniato, Thomas Lippold, Detlev Kasten und Wolfgang Rotberg in den Vorstand – ein Neuanfang, den der GFF BW positiv bewertet; nach GFF-Informationen hatten die neu gewählten Ehrenamtsvertreter partiell die Bereitschaft auch zum herbeigesehnten Neuanfang im Hauptamt erkennen lassen bzw. endlich Entsprechendes angekündigt.

Warum ist das nötig? Auf der Versammlung im Januar macht Stefan Kieckhöfel von sich reden, als er(eindeutig fälschlicherweise) suggeriert, GFF BW-Hauptgeschäftsführer Waldemar Dörr habe ein Schreiben an den ZDH gerichtet, um zu klären, welche Modalitäten zur Gründung eines zweiten Bundesverbands erfüllt sein müssten –eine substanzlose Aussage, wie Dörr direkt in der Sitzung klarstellte und wie mittlerweile auch der ZDH bestätigt hat. Die Spitze des GFF BW bewertete die Bemerkung Kieckhöfels als klaren Angriff. Von möglichen Plänen, wieder eine Position im BIV-Vorstand zu bekleiden, sahen Jürgen Sieber und sein Stellvertreter Wolfgang Gastel infolgedessen ab.

Kieckhöfel bleibt in den Schlagzeilen

Zum anderen hatte Kieckhöfel nach übereinstimmenden Angaben behauptet oder zumindest den Eindruck erweckt, dass sein 90-jähriger Vater noch lebe und den viermal jährlich erscheinenden BIV-Messereport erstelle (die aktuellen Entwicklungen lesen Sie hier). GFF-Recherchen belegten anschließend, dass besagter Erich Kieckhöfel zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein Jahr tot war. Das warf mehrere Fragen auf: Warum hat der HGF über die Erbringung der Dienstleistung gelogen? Wer schreibt den Messereport (spätestens) seit dem Tod des Vaters im Herbst 2018? Ist es Stefan Kieckhöfel selbst, wie der damals amtierende Bundesinnungsmeister (BIM) Martin Gutmann auf der Sitzung gemutmaßt hatte? Auf welches Konto fließt eigentlich das Honorar für die Erstellung des viermal jährlich erscheinenden Messereports? Beauftragt sich der HGF in seiner Funktion als Geschäftsführer der Informations- und Werbegesellschaft des Glaserhandwerks tatsächlich selbst und überweist sich das Geld auf das eigene Konto?

Antworten waren zunächst nicht zu bekommen – erst mehr als zwei Monate, nachdem GFF den BIV-Vorstand sowie Stefan Kieckhöfel mit den Recherchen und den sich daraus ergebenden Fragen konfrontiert hatte, gab der Vorstand eine offizielle Pressemitteilung heraus, in welcher das Gremium einige Vorgänge rund um die Erstellung des Messereports zu klären versucht und dem HGF schließlich sein Vertrauen ausspricht. Reicht das den GFF BW-Mitgliedern? Waldemar Dörr hatte sich im Gespräch mit GFF eine schnelle Klärung der Vorwürfe gewünscht, gerade in Hinblick auf die anstehende Mitgliederversammlung. "Ohne schnelle Stellungnahme von Vorstand und Geschäftsführung brauche ich mir keine Gedanken darüber zu machen, wie die Abstimmung ausgeht."

Der Anfang vom Ende?

Vielleicht sind die Vorwürfe gegen Stefan Kieckhöfel für die Entscheidung der Mitglieder gar nicht mehr ausschlaggebend. Nach der Versammlung im Herbst 2019 gingen Jürgen Sieber und Wolfgang Gastel im Bewusstsein der Stimmung bei ihren Mitgliedern davon aus, dass wohl auch die eigentliche Abstimmung über den BIV-Verbleib eindeutig ausfallen dürfte. Gastel plädierte dafür, in den Beschluss eine Klausel aufzunehmen, um die Kündigung einfach zurücknehmen zu können – "sollte sich beim BIV doch etwas zum Positiven hin verändern". Danach schaut es nicht aus. Vielmehr bewahrheitet sich möglicherweise, was der langjährige BIM Martin Gutmann prophezeite: "Wenn sich in der Geschäftsführung nichts ändert, bricht der Verband auseinander."