Forscher arbeiten an der Zukunft des konstruktiven Glasbaus Dünn, dick, groß, gedruckt

Am Glass Competence Center (GCC) der TU Darmstadt arbeiten Wissenschaftler an aktuellen Forschungsthemen im Bereich der Glastechnik. Diese weisen derzeit in vier Richtungen: Neue Gläser werden dünner, größer, dicker oder sind 3D-gedruckt.

Gläserne Backsteine als Bestandteile der Gebäudehülle waren auf der Sonderschau glass technology live (gtl) bereits auf der glasstec 2016 zu sehen. - © Metzger

„Obwohl Glas ein vergleichsweise alter Baustoff ist, ist im Bereich der Forschung noch lange kein Ende in Sicht“, sagt Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider vom Institut für Statik und Konstruktion (ISM+D) an der TU Darmstadt. Ein Trend liegt nach seinen Angaben in der Herstellung und Anwendung von immer dünneren Gläsern. Von Dünnglas spricht man, wenn die Dicke des Glases weniger als zwei Millimeter beträgt. Moderne Dünngläser sind etwa bis zu 25 Mikrometer schmal.

Extrem harte Glasfolie

„Dünnglas weist im Vergleich zu konventionellem Glas eine geringere Steifigkeit auf, kann dadurch aber kalt gebogen und verformt werden – eine Eigenschaft, die man vom transparenten Baustoff Glas bisher nicht gekannt hat“, sagt Schneider. Um es gegen Bruch widerstandsfähiger zu machen, muss das Material vorgespannt werden. So entsteht eine extrem dünne und gleichzeitig extrem feste Glasfolie. Neben der besonderen Härte des Glases und dem hohen Widerstand gegen Verkratzen bestehe ein weiterer Vorteil in der Beständigkeit gegen Umwelteinflüsse. Im Gegensatz zu Kunststoffen vergilbe und altere das Material nicht. „Hier setzt die Forschung am GCC an“, sagt Schneider. „Unser Team sucht nach Anwendungen, die sich mit Dünnglas realisieren und dauerhaft sowie funktionssicher im Bauwesen etablieren lassen.“ Das könnten in sich bewegliche Fenster sein, dämmende und gleichzeitig transparente Fassaden oder pneumatisch gestützte Glaskissen.

Gläserne Backsteine

Auch sehr große und dicke Gläser sind Gegenstand der Forschung am GCC. Großformatige Gläser nehmen heute als Fassadenelemente Abmessungen von bis zu 20 Meter Höhe an. Ein weiterer Entwicklungsweg der Glasforschung sind Dickgläser, beispielsweise gläserne Backsteine. Das Ziel von sowohl dicken als auch großen Gläsern ist es, eine möglichst transparente oder transluzente und kristalline Gebäudehülle zu schaffen. Prominentes Beispiel für den Einsatz von großformatigen und beweglichen Glas-Fassadenelementen mit je 16 Meter Höhe ist die Apple-Firmenzentrale in Cupertino (USA), deren Bau das GCC beratend begleitet hat. „Das Streben nach immer größeren Formaten wird lediglich durch die Produktions- und Transportmöglichkeiten eingeschränkt“, sagt Schneider. Es bedürfe daher Strategien zur Bemessung und Sicherung von großen Fassadenelementen sowie Reparaturmöglichkeiten im Schadensfall.

3D-gedruckte Bauteile

Am GCC laufen außerdem Forschungsaktivitäten, um die Anschlusspunkte der Glaselemente mit dem Bauwerk und untereinander zu untersuchen – beispielsweise mit neuartigen und transparenten Silikonklebstoffen. Des Weiteren gibt es erste Versuche zur stoffschlüssigen Verbindung von Glasbauteilen, auch Additive Fertigung (AF) oder 3D-Drucken genannt. Durch den schichtweisen Materialauftrag entsteht auf Basis eines digitalen Modells ein additiv gefertigtes Bauteil, das entweder als Verbindungskomponente dient oder die Glasfläche selbst stabilisiert. Durch diese in der Entwicklung befindliche Technologie lassen sich komplexe Geometrien und individuelle Konstruktionen bei 100-prozentiger Recycelbarkeit realisieren.