Exklusivinterview Andreas Hartleif, Vorstandsvorsitzender VEKA AG Digitalisierung als Antwort auf Fachkräftemangel

Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der VEKA AG hat sich CEO Andreas Hartleif die Zeit genommen, unsere Fragen schriftlich zu beantworten. Die Topthemen sind die Personalnot in der Montage, das Auslandsgeschäft des Globals und protektionistische Begehrlichkeiten.

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    1,1 Milliarden Euro, 6.000 Beschäftigte, 41 Standorte: Die Dimensionen der von Andreas Hartleif geführten Unternehmensgruppe sprengen in der ansonsten segmentierten deutschsprachigen Branche Maßstäbe.
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    Automation, SmartHome, VEKA Spectral: Wer regelmäßig so viel Neues vorzuzeigen hat und in so vielfältigen Themenfeldern die Pace macht, der hat auf Veranstaltungen wie den TEC-Tagungen ausreichend Inhalte.
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    Das Credo eines Firmenchefs: „Alle Entwicklungen sind darauf ausgerichtet, unseren Partnern Alleinstellungsmerkmale oder neue Möglichkeiten zur Optimierung betrieblicher Abläufe zu bieten.“

GFF: Herr Hartleif, die VEKA AG hat 2017 mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt. Können Sie Zahlen für 2018 nennen und etwas dazu sagen, wo Sie sich in der Liga der größten Profilgeber für Kunststofffenster einreihen – weltweit? Was waren aus Ihrer Sicht die Milestones für diese Entwicklung?

Hartleif: Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens VEKA AG beginnt 1969, als mein Schwiegervater Heinrich Laumann die Extrusionsaktivitäten eines kleinen Herstellers von Rollladen- und Bauprofilen aus Kunststoff übernimmt. Er gründet die Firma VEKA­PLAST mit acht Mitarbeitern und drei Extrusionslinien. Das erste Fenstersystem Basis, das in enger Zusammenarbeit mit Fenster herstellenden Fachbetrieben entwickelt wurde, kommt 1972 auf den Markt. Die Nachfrage nach modernen Kunststoffprofilen wächst rasch. Eine konsequente Expansionspolitik lässt die Umsätze in den folgenden Jahren schnell ansteigen. In den ausländischen Nachbarmärkten baut VEKAPLAST seine Vertriebsaktivitäten sukzessive aus und beginnt bereits in den 1980er-Jahren, erste Tochtergesellschaften zu gründen, auch in den USA.Früh investiert VEKA in die sich öffnenden osteuropäischen Märkte. Allen voran sind hier Werke in Polen und Russland zu nennen. 1990 wird das Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft, die VEKA GmbH, umgewandelt. 1992 erhält VEKA die Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die Aktien bleiben in Besitz der Familie Laumann.Damit werden die strukturellen Voraussetzungen für weiteres Wachstum auf den internationalen Märkten geschaffen. 1993 ist die Gründung der VEKA Umwelttechnik in Thüringen ein wichtiger Meilenstein für VEKA und die Branche. Alte Kunststofffenster werden seither nahezu vollständig recycelt, das Material wird wieder zu neuen Profilen verarbeitet. In der Mitte der 1990er-Jahre rückt Asien in den Fokus der internationalen Tätigkeit mit Standorten in China, Singapur, Thailand und Malaysia. Ab dem Jahr 2000 schließlich folgen Aktivitäten in Südamerika und Indien. Der Erfolg in den internationalen Märkten stärkt unseren Stammsitz Sendenhorst, wo weiter das technische Know-how und der überwiegende Teil der Systeme für die jeweiligen Märkte entwickelt werden. 2018 hat die VEKA Unternehmensgruppe mit weltweit 41 Standorten und 6.000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 1,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. Damit sind wir heute der Weltmarktführer für Kunststoffprofilsysteme für Fenster sowie Türen.

Wie viele Tage im Monat verbringen Sie als Vorstandsvorsitzender eines Globals in Deutschland, wie oft haben Sie Kundenkontakt? Gibt es einen USP, und welches sind die Fokusthemen, die sich VEKA für das jeweilige Jahr besonders auf die Fahnen schreibt?

Natürlich verbringe ich einen großen Teil meiner Arbeitszeit auf Reisen und im Ausland, z.B. bei den vielen Board-Sitzungen der Tochtergesellschaften. Dennoch bin ich gerade in den vergangenen beiden Jahren viel in Sendenhorst gewesen. Da meine Schwerpunkte auf den Bereichen Strategie und Innovationen liegen, gehört der Kundenkontakt zwar nicht zu meinem Tagesgeschäft, rund um die Entwicklung von Innovationen ergeben sich aber häufig spezifische Kundenbesuche und -gespräche. Denn wir sind der Überzeugung, dass neue Produkte, Services oder Geschäftsmodelle nur erfolgreich sein können, wenn sie ganz nahe an den Bedürfnissen und in enger Abstimmung mit unseren Partnern entstehen. Den einen USP gibt es nicht, an dieser Stelle steht bei uns das Gesamtpaket, das sich aus unserem umfassenden Qualitätsverständnis, der Lieferstärke, dem umfangreichen Produktportfolio und den vielfältigen Serviceleistungen zusammensetzt. Vor allem sind es unsere Mitarbeiter, die mit ihrem Wissen um die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden durch ihre langjährigen Kontakte das Vertrauen unserer Partner genießen und damit den Unterschied ausmachen. Für die langfristige Ausrichtung der Gruppe folgen wir einem klar definierten Strategieprozess, der mithilfe der Balanced Score Card operationalisiert wird. Unsere erfolgskritischen Faktoren sind immer auf den Erfolg unserer Kunden ausgerichtet. Die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie der Know-how-Aufbau orientieren sich ausschließlich am potenziellen Nutzen für unsere Partner und sind in mittelfristigen Zeiträumen zu betrachten. Adhoc-Maßnahmen für ein Jahr sind nicht ausgeschlossen, aber eher die Ausnahme. Dazu wollen wir langfristig betrachtet die wichtigsten Vorteile unseres Familienunternehmens mit einem hohen Maß an Kontinuität, dem einheitlichen Verständnis die Ausrichtung betreffend sowie den kurzen und schnellen Entscheidungswegen erhalten.

Wie können Sie Kunden unterstützen, sich mit Kunststofffenstern, mithin Commodity-Produkten, vom Markt abzusetzen? Sind Erwartungen deutscher Partner realistisch, die auf Hilfestellung hoffen, um dem Importdruck zu widerstehen – Importeure sind ja ebenso Ihre Kunden?

Es wird immer schwieriger, sich über das Produkt Fenster zu differenzieren. Vielmehr gilt es, den Gesamtprozess zu beherrschen. Ausgehend von den Kundenbedürfnissen sollen die optimalen Lösungen gefunden werden, die sich von der Beratung und Planung über Angebote in der Fensterperipherie bis hin zu Montage und After Sales-Services erstrecken. So haben wir uns mit der Oberflächentechnologie VEKA Spectral auf völliges Neuland begeben. Die Zielsetzung bestand darin, die Oberflächen für Kunststoffprofile und -platten hinsichtlich Design, UV-Stabilität und Resistenz gegen Umwelteinflüsse zu optimieren. Mit der Firma Celotec haben wir in Sendenhorst eine hochmoderne Fertigungsanlage in einer 3.600 Quadratmeter großen Produktionshalle errichtet. Weitere innovative Produktentwicklungen beziehen sich auf die Felder Automation und SmartHome-Technologie. Intelligente Elektrifizierung, komfortable Bedienung, günstige Steuerungselemente, belastbare Aktoren, effiziente Lüftungen, vernetzte Haustechnologie – es gibt eine Vielzahl interessanter Ansätze und zum Teil fertiger Lösungen. Darüber hinaus sind wir sehr aktiv auf dem Feld der digitalen Unterstützung der Geschäftsprozesse unserer Partner. Alle diese Entwicklungen sind darauf ausgerichtet, unseren Partnern Alleinstellungsmerkmale oder neue Möglichkeiten zur Optimierung betrieblicher Abläufe zu bieten. Natürlich dienen sie auch dem Ausbau unseres Kerngeschäftes rund um die Profil- und Plattensysteme, das wir stets im Blick behalten. Um den Erfolg unserer Kunden zu unterstützen, müssen wir keine Märkte abgrenzen oder Exklusivitätsrechte vergeben. Für uns ist es auch wesentlich sinnvoller, die individuellen Stärken unserer Partner im In- und Ausland herauszuarbeiten und ihre Geschäftsmodelle zu unterstützen, als irgendwelche protektionistischen Maßnahmen zu ergreifen.

Würden Sie etwas zu Marktanteilen der Unternehmensgruppe sagen, in Europa, in Asien, in Nordamerika?

In nahezu allen großen Märkten nimmt VEKA heute eine marktführende Position ein. Ausnahmen bilden China, Japan, Südostasien und die Türkei. Diese Märkte sind eindeutig von einheimischen Systemgebern dominiert. In Indien wiederum konnten wir mit der Gründung von NCL VEKA die Position eins in einem aufstrebenden und vielversprechenden Markt erreichen.

Der Fachkräftemangel trifft heute bereits gerade das Handwerk mit voller Wucht. Wie können Sie Kunden unterstützen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren? Oder sehen Sie sich da nicht? Wie deckt VEKA selbst seinen Personalbedarf?

Der Fachkräftemangel hat uns alle erreicht und ist in einigen Bereichen deutlich spürbar. In der Wertschöpfungskette ist dieser Engpass am ehesten für die Montage zutreffend, was eine Umsatzlimitierung zur Folge hat. Der demografische Wandel und der Wettbewerb um die besten Talente ist ein großes Thema. Es gilt, in Ausbildung und Arbeitsumfeld zu investieren, um als interessanter und verlässlicher Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Um gut ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen, müssen attraktive Herausforderungen und Bedingungen geboten werden, die zum größten Teil in den Bereichen Digitalisierung, Vernetzung und Automation liegen. Hier müssen wir zeigen, dass wir innovativ sind und neue Geschäftsmodelle oder Produktfelder entwickeln. Dabei unterstützen wir unsere Partner ebenso wie bei anderen Themen der Weiterbildung. Zum Beispiel beinhaltet unser Seminarangebot auch Schulungen für Monteure.

Viele Globals berichten über China, der Staat definiere Schlüsselbranchen, die mit öffentlichen Mitteln aufgepäppelt und teilweise an die Weltspitze gebracht werden; Exporteure kommen zum Zug, solange sie etwas technisch Neues bzw. einen Prozessvorsprung mitbringen – ist der eingeholt, übernehmen die heimischen Produzenten: Wie sind Ihre Erfahrungen, was halten Sie von dem staatlichen Eingriff in die Märkte, wie ist VEKA in China aufgestellt? Und wie schätzen Sie die Tigerstaaten in Südostasien ein, von denen manche in den kommenden Jahren ähnliche Wachstumsraten erwarten?

China ist ein ganz besonderer Markt. Westliche Anbieter aus unserer Branche sind dort nur so lange von besonderem Interesse, wie sie Technologien, Innovationen und Know-how ins Land bringen. Das Volumengeschäft wird eindeutig von einheimischen Betrieben beherrscht. Es ist fast unmöglich, damit zu konkurrieren. Wo es um Qualität geht, ist VEKA weiter wettbewerbsfähig. Das betrifft neben dem Produkt die Kompetenz im Prozess und in der Beratung. In den Tigerstaaten ist eine ähnliche Verteilung zu beobachten, die großen Mengen gehen an einheimische bzw. chinesische Extrudeure. Mit zunehmendem Qualitätsbewusstsein liegt das Wachstumspotenzial von VEKA in dieser Nische. Gute Perspektiven sehen wir vor allem in Korea, Malaysia und Thailand. Da einige dieser Länder politisch und wirtschaftlich eher instabil sind, lassen sich die Entwicklungen schwierig vorhersehen. Eher gute Voraussetzungen bietet Indien. Dort muss man zwischen drei Marktsegmenten unterscheiden. Während das unterste von den Chinesen dominiert wird, können wir das mittlere und obere Segment bedienen und sind auch in marktführender Position.

Zurück nach Deutschland, die Firma Walter in Augsburg, ein Gealan-Verarbeiter, hat gerade ihr 325-jähriges Bestehen gefeiert und sieht ausweislich der Aussage des Firmenchefs den Chip im Rahmen als Instrument der Kundenbindung, um Maintenance Aufgaben zu vereinfachen. Wie wichtig sind solche Technologien für die VEKA AG – und würden Sie eines oder mehrere Felder benennen, in denen Sie ebenfalls Potenzial sehen, in Zukunft das Produkt Fenster weiter zu verbessern?

Mit Chip im Rahmen ist unser Konzept Intelligent Product Solutions (IPS) gemeint. IPS vereint digitales Produktgedächtnis (Chip und Datenbank) sowie digitales und mobiles Prozessmanagement. Alle an der Wertschöpfung beteiligten Stufen – Fensterbauer, Händler, Monteure – arbeiten mit IPS schneller, strukturierter und besser. So lassen sich beispielsweise Montagedokumentationen oder Checklisten bearbeiten und hinterlegen. Wir geben unseren Partnern mit IPS ein Werkzeug an die Hand, das sich den eigenen Bedürfnissen entsprechend individuell modifizieren und nutzen lässt. Im Bereich Smart Home bieten sich viele Ansätze, um das Fenster stärker als zentrales Element in der Fassade zu nutzen. Intelligent eingesetzt kann die Schnittstelle zwischen innen und außen für die Bereiche Licht, Lüftung und Sicherheit entscheidende Funktions- und Komfortverbesserungen realisieren. Uns liegt daran, diese Zusatzfunktionen einfach, sicher und komfortabel handhabbar ins System zu integrieren.

Wie geht es nach der aktuellen Generation in der Familie an der Unternehmensspitze weiter?

Was die künftige Familiengeneration in der Unternehmensleitung angeht, gibt es noch keine Pläne. Sicher werden meine Frau und ich noch einige Jahre im Vorstand mitwirken. Unsere Kinder befinden sich in der Ausbildung. Es ist wichtig, dass sie bei ihren beruflichen Planungen ihre Neigungen und Interessen in den Vordergrund stellen. Wenn sich in den nächsten Jahren abzeichnen würde, dass eines der Kinder Interesse und die Qualifikation mitbringt, um in die Firma einzusteigen, wäre das wunderbar. Schaun wir mal …