Traditionelle Tagung in Dresden Die Zukunft des Glasbaus im Blick

Vom 28. bis zum 29. März 2019 verwandelte sich das Hörsaalzentrum der Technischen Universität Dresden in einen Thinktank des Glasbaus. Die Agenda war mit 27 Vorträgen umfangreich. Sie zeigt, welches die Innovationstreiber in Forschung und Industrie sind.

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    Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller von der TU Dresden begrüßte die zirka 180 Teilnehmer zu der zweitägigen Glasbau-Konferenz.
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    Dr. Christian Louter, seit April Direktor des Instituts für Baukonstruktion der TU Dresden, zeigt einen 3D-Dünnglasverbund.
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    Dr. Frank Schneider, Forschungsleiter von Okalux, treibt die Entwicklung von 3D-gedruckten Fassadenelementen voran.

Dünnglas hat in der Architektur enormes Potenzial. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher der TU Delft. Die Masterabsolventen unternahmen einen Vorstoß, um die Flexibilität von Dünnglas für adaptive Fassaden nutzbar zu machen. So entstand u.a. ein Prototyp für eine Doppelhaut-Fassade, bei der durch Biegen des Glases Lüftungsöffnungen erzeugt werden. Ein weiteres Konzept beinhaltete die Herstellung eines dünnen Glasverbunds. Zur Versteifung diente ein innerer Kern aus 3D-gedrucktem PETG. „So lassen sich stabile und zugleich leichte Fassadenplatten produzieren“, erklärte Studienleiter Dr. Christian Louter den zirka 180 Konferenzteilnehmern. Im nächsten Schritt sollen die UV-Beständigkeit des Kernmaterials verbessert, die Struktur optimiert und die Scheibenformate vergrößert werden.

Aspekte wie Tageslichtlenkung und Steuerung des Energieflusses spielten im Vortrag „Starre, bewegliche und adaptive Dünnglaskonstruktionen“ von Prof. Jürgen Neugebauer, FH-Joanneum Graz, eine maßgebliche Rolle. „Die Möglichkeit, mit der Geometrie zu spielen, liefert spannende Werkzeuge für architektonische Entwürfe“, sagte er. Die Performance von starren Systemen demonstrierte er am Science Tower in Graz. Dort ist die äußere Hülle der zweischaligen Fassade bis zur siebenten Etage mit VSG aus thermisch vorgespanntem Dünnglas realisiert.

Neues PV-Modul führt Wärme ab

Zukunftsfähige Gebäude stellen hohe Anforderungen an die Energieeffizienz. Paul-Roven Denz von der TU Dresden präsentierte das Forschungsvorhaben Energetic Panel. Photovoltaikmodule sind vorwiegend für VHF ausgelegt, in Warmfassaden büßen sie durch die Aufheizung an Effizienz ein und sorgen für unerwünschte Wärmeeinträge. Abhilfe soll ein neuartiger Systemaufbau, bestehend aus einem Photovoltaikmodul zur Stromerzeugung und einer Kapillarrohrmatte zum Abführen der Wärmeenergie, schaffen. Eine Testfassade in Dresden, realisiert in Zusammenarbeit mit der Priedemann Facade-Lab GmbH, bestätigt laut Referent die Steigerung des elektrischen Ertrags und das Abführen der thermischen Energie über das Kapillarrohrsystem.

Die freie Fassadengestaltung mittels 3D-Druck thematisierte Dr. Frank Schneider von Okalux. Das Unternehmen hat 3D-gedruckte Einlagen für den Scheibenzwischenraum (SZR) von Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) entwickelt. Das Design integriert zusätzliche Funktionen wie Verschattung und Tageslichtlenkung. „Die Serienfertigung stellt noch eine Hürde dar“, verrät Schneider. Um die Prototypen für den Industrieeinsatz fit zu machen, arbeitet Okalux mit BASF 3D Printing Solutions zusammen.

Stefan Zimmermann von Josef Gartner zeigte, wie zwei auf den ersten Blick ähnliche Stahl-/Glasdachkonstruktionen in Freiform durch unterschiedliche Herangehensweisen, Terminabläufe und kulturelle Gegebenheiten völlig verschiedene Abwicklungskonzepte nach sich zogen. „Die Überdachung eines Neubaus der Dualen Hochschule Stuttgart dauerte von Juni bis November 2018“, schilderte er. „Die Kosten betrugen zirka zweieinhalb Millionen Euro.“ Bei der Sanierung der Tammany Hall in New York dagegen hätten Probleme wie der Versand der vormontierten, sperrigen Leiterelemente sowie fehlende Vorleistungen auf der Baustelle für eine Verzögerung der Montage um mehr als ein Jahr gesorgt. Die Kosten lägen bei neuneinhalb Millionen Dollar, die Fertigstellung erfolge im Sommer 2019.

Einen Einblick in die Vielfalt von Ganzglaskonstruktionen gab Dr. Martin Teich von Seele. In Bangkok hat das Unternehmen ein Luxuskaufhaus mit einer an der Decke hängenden XXL-Fassade realisiert. Eine besondere Herausforderung bildete die Montage von 333 Glasfinnen in 24 Meter Höhe. Extrem hohen Windlasten ist das New World Centre in Hongkong ausgesetzt. Der 66 Stockwerke umfassende Bürokomplex sollte mit einer Closed Cavity Fassade (CCF) aus mehr als 300 VSG-Glasröhren mit einer Höhe von bis zu neun Meter versehen werden. „Während der Bauarbeiten hat der Taifun gewütet“, erinnerte sich Teich.

Schutz gegen Einbruch

Dass der Einsatz von Polycarbonat bei der Herstellung von Mehrscheiben-Isoliergläsern zur Gewichtsreduktion führt, demonstrierte Prof. Thorsten Weimar von der Universität Siegen. „Der Dünnglas-Polycarbonat-Verbund erfüllt aktuelle Anforderungen an den Wärmeschutz mit einem um 15 Prozent schlankeren und um 50 Prozent leichteren Aufbau“, resümierte er. Zudem verbessere die Neuentwicklung den Einbruchschutz. Labortests hätten das Erreichen der höchsten Widerstandsklasse P8B gegen manuelle Angriffe bestätigt. Allerdings seien durch höhere Materialpreise von Dünnglas und Polycarbonat die Kosten um bis zu 80 Prozent höher. Die Erkenntnisse sollen auf weitere Forschungsprojekte zu beschuss- und sprengwirkungshemmenden Verglasungen übertragen werden.