Nachgefragt bei D+H-Geschäftsführer Christoph Kern Die neue Maschinenrichtlinie und was sich daraus für kraftbetätigte Fenster ergibt

Die neue EG-Maschinenrichtlinie gilt seit zirka einem halben Jahr. Christoph Kern, Geschäftsführer der D+H Rauchabzug-Lüftung GmbH Hamburg, gibt im Gespräch mit GFF Tipps zur Anwendung.

Sie führt nicht nur zu einer europaweit einheitlichen Definition der Risikobeurteilungen und Schutzmaßnahmen für kraftbetätigte Fenster, sondern auch zu einer Durchgriffshaftung auf den Hersteller. Und das ist nicht, wie man meinen könnte, der Produzent des Fensters oder des elektrischen Antriebs. Es ist in der Regel der Verarbeiter, der den Antrieb bzw. das Antriebssystem mit dem Fenster zusammenführt. Längst noch nicht alle Planer und Verarbeiter sind sich offenbar über die rechtlichen Konsequenzen der neuen EG-Maschinenrichtlinie – kurz MaschRL 2006/42/EG – im Klaren. GFF hat nachgefragt:

GFF: Herr Kern, welche rechtlichen Konsequenzen hat die MaschRL 2006/42/EG?
Kern: Die wichtigste juristische Konsequenz der neuen Maschinenrichtlinie betrifft die Haftungsfrage, die nun eindeutig geregelt ist: Treten in Zusammenhang mit einem kraftbetätigten Fenster Personen- oder Sachschäden auf, kann der Hersteller im Sinne der MaschRL zur Verantwortung gezogen werden, sofern er bei der Errichtung bzw. Inverkehrbringung der Maschine die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht oder nicht ausreichend umgesetzt hat. Als Hersteller gilt jedoch nicht der Produzent des Antriebs bzw. des Fensters, sondern derjenige, der beides vor Ort zusammenführt und einbaut, also der Verarbeiter. Er kann damit im Schadensfall das gesamte juristische und finanzielle Risiko tragen.

GFF: Für wen ist die MaschRL 2006/42/EG relevant?
Kern: Logischerweise in erster Linie für die verarbeitenden Betriebe, denn die sind ja die Hersteller im Sinn des Gesetzes. Aber prinzipiell können alle für den Bauerfolg Verantwortlichen haftbar gemacht werden – also auch die Bauherrn bzw. Auftraggeber, die Planer und Händler.

GFF: Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen unvollständigen und vollständigen Maschinen. Was bedeutet das?
Kern: Man kann sich das Gesetzgeberdeutsch einfach so übersetzen: Eine unvollständige Maschine ist eine, die alleine noch keine Funktion erfüllt. Elektrische Antriebe oder Antriebssysteme für kraftbetätigte Fens - ter sind deshalb unvollständige Maschinen im Sinne der MaschRL. Sie bilden erst zusammen mit einem Fenster oder einer Rauchabzugs- bzw. Lüftungsklappe eine so genannte vollständige Maschine. Dagegen ist ein Fensterflügel oder eine Rauchabzugsbzw. Lüftungsklappe keine unvollständige Maschine, sondern nur potenzieller Bestandteil einer vollständigen Maschine.

GFF:Wozu ist ein Hersteller jetzt verpflichtet?
Kern: Der Hersteller – also im Sinn des Gesetzes derjenige, der Fenster und Antrieb vor Ort zusammenführt – muss dafür sorgen, dass eine Risikobeurteilung vorgenommen wird, um die für die Maschine geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zu ermitteln. In der Praxis muss jedoch auch der Planer aktiv bei der Risikobeurteilung mitwirken und bereits im Vorfeld alle relevanten baulichen Gegebenheiten berücksichtigen. Maßgeblich für die Risikoeinschätzung sind außer der Art und Funktion eines kraftbetätigten Fensters unter anderem die Steuerung oder Bedienung, die Einbausituation, die Raumnutzung und die wesentlichen Nutzergruppen. Ein besonders geringes Risiko besteht beispielsweise bei unzugänglich eingebauten Fenstern in einem gewerblich genutzten Raum, dessen Nutzer in die Bedienung eingewiesen sind. Je zugänglicher die Fenster und je mannigfaltiger die Nutzerstruktur, desto höher sind die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen. Deshalb unterliegen beispielsweise Kindergärten oder Krankenhäuser der höchsten Risikoklasse. Aber gleichgültig ob Büro, Verkaufsraum oder Schule: Die konkrete Ermittlung der jeweiligen Schutzklasse von 0 bis 4 muss immer nachvollziehbar dokumentiert werden. Außerdem sollte man darauf achten, dass der Produzent auch die für eine Inverkehrbringung der Maschine vorgeschriebene CE-Kennzeichnung und ein EGKonformitätszertifikat nachweist. Denn im Schadensfall haftet ja der Hersteller im Sinne der MaschRL.

GFF: D+H bietet ein Rundum-Sorglos-Paket. Was hat es damit auf sich?
Kern: Wir haben nicht auf das Inkrafttreten der neuen Maschinenrichtlinie gewartet, sondern schon vorher gesetzeskonforme Komplettlösungen für jede Schutzklasse von 0 bis 4 entwickelt – also in diesem Sinne Rundum- Sorglos-Pakete. D+H bietet für jede Schutzklasse und Einbau- bzw. Nutzungssituation komplette Module, mit denen der Hersteller vor Ort ohne Nachbesserungen oder Flickwerk rechtlich auf der sicheren Seite ist.

GFF: Was empfehlen Sie Herstellern darüber hinaus?
Kern: Nicht vergessen sollte man, dass die MaschRL 2006/42/EG nicht nur beim Neubau, sondern auch beim Austausch oder nachträglichen Einbau von elektrischen Antrieben zu beachten ist. Wird in einem Bestandsobjekt ein elektrischer Antrieb montiert, muss der Hersteller stets eine Risikobeurteilung durchführen und die notwendigen Schutzmaßnahmen bei der Montage umsetzen. Um Haftungsrisiken zu vermeiden, sollte man in jedem Fall – auch bei möglichem Dissens mit dem Auftraggeber – eine komplette schriftliche Dokumentation aller Vorgänge anlegen. Auch dann, wenn eine Wartungsfirma feststellt, dass die bauseitig vorhandenen Schutzmaßnahmen unzureichend sind, oder wenn der Hersteller der Maschine im Sinne der MaschRL 2006/42/EG auf der Baustelle eine unpassende Einbausituation feststellt. Denn selbst wenn der Auftraggeber die Inbetriebnahme trotz fehlender Schutzmaßnahmen ausdrücklich verlangt, haftet im Schadensfall der Hersteller. Und zwar unabhängig davon, in wessen Auftrag er gehandelt hat.

Auf diese drei Punkte sollten Sie als Verarbeiter achten

1. Der Verarbeiter, der Fenster und Antrieb zusammenführt, ist im Sinne der MaschRL der Hersteller und haftet im Schadensfall.
2. Sie müssen eine Risikoermittlung erstellen oder erstellen lassen und nachvollziehbar dokumentieren: Schutzklasse 0 bis 4.
3. Auf der Webseite www.dh-partner.com unter dem Reiter Service/Download stehen Checklisten für die Schutzklassenermittlung zum Herunterladen bereit.