Smart Glazing Die Fassade als Entertainer

Wenn Sie demnächst einer Glasfassade begegnen, auf der ein Werbespot abgespielt wird, steckt vermutlich LED-Technologie dahinter. Solche Medienfassaden verdienen ihr eigenes Geld. Andere Technologien helfen, Gebäude zu verschatten und nachhaltig Energie zu sparen.

Derzeit entsteht in Karlsruhe die neue Firmenzentrale der FC-Gruppe, deren Kerngeschäft normalerweise das Errichten von Gebäuden für andere Unternehmen ist – darunter für Marktgrößen wie Daimler und Porsche. Oder es handelt sich um öffentliche Gebäude wie Theater oder Kliniken. Diesmal baut das Unternehmen jedoch für sich selbst und zeigt, quasi als Trendsetter, was in Sachen Smart Glass möglich ist: Ganze Elemente der Fassade bestehen aus Isolierglas mit integrierter LCD-Technologie, die man eigentlich von Smartphone-Displays her kennt. Durch den Einsatz dieses elektrisch schaltbaren Materials verdunkeln sich die Scheiben im Gebäude auf Knopfdruck und machen damit einen separaten Sonnenschutz überflüssig.

Dass man mit Fassaden inzwischen sogar gutes Geld verdienen kann, zeigt die Medienfassade des Klubhaues St. Pauli in Hamburg: Der Betreiber des Gebäudes vermietet zirka ein Drittel der Frontfassade regelmäßig als Werbefläche, was bei der Lage nicht nur während des Reeperbahnfestes interessant sein dürfte. „Mediatektur“, geprägt von Architekt Christoph Kronhagel, nennt der Verdener Hersteller Onlyglass solche Fassaden, die mit ihrer Umwelt kommunizieren: etwa durch Werbung, mit Veranstaltungsinfos oder Fassadenkunst. „Die Nachfrage ist riesig“, sagt Ralf Krüßel, Produktmanager bei Onlyglass, allerdings verlaufe die tatsächliche Umsetzung solcher Projekte noch ziemlich schleppend. „Hier muss erst noch ein Paradigmenwechsel stattfinden“, erklärt er, „aber ich bin mir sicher, dass diese Fassaden ganz stark im Kommen sind.“

Glas mit Doppelfunktion

Die Onlyglass Mediafacade ist ein transparentes LED-Display, das direkt in das Isolierglas integriert ist und mit der Gebäudehülle verschmilzt. Mit dieser Technik sollen Flächen bis 1.000 Quadratmeter umsetzbar sein. Feine LED-Streifen im Isolierglas-Verbund ermöglichen eine sehr hohe Transparenz bei guter Auflösung, die Basis für großflächige Darstellungen an der Außenhülle des Gebäudes. Durch die direkte Integration in die Fassade lassen sich Räume hinter dem LED-Display weiterhin nutzen. Sonnenlicht dringt wie bei einem normalen Isolierglas uneingeschränkt in den Innenraum des Gebäudes. Das Glaselement übernimmt damit eine echte Doppelfunktion, nämlich die der thermisch isolierenden Haut und auch die einer modernen Medienfassade. Der Pixelabstand beträgt nur 20 Millimeter, was eine Transparenz von mindestens 80 Prozent bietet. Gleichzeitig bleibt das Gewicht gering: Pro Quadratmeter kommen durch die LED-Technik dreieinhalb Kilogramm hinzu.

Premiere auf der glasstec

Rechtzeitig zur nächsten glasstec hat Peter Platz Spezialglas sein Powerglass, ein Hightech-Verbundglas mit integrierten Leuchtdioden, weiterentwickelt. Hier werden über Leiterbahnen der inneren Glasoberfläche im zweischeibigen Gießharzverbundglas montierte Leuchtdioden (LED) mit elektrischer Energie versorgt. Auf diese Weise lassen sich Glas und Licht kabellos miteinander verbinden und erzeugen Lichteffekte, die sich auch für die mediale Nutzung an Fassaden nutzen lassen. „Anzahl und Abstand der LEDs sind beinahe beliebig“, erklärt Firmeninhaber Peter Platz.

Bisher befand sich die Steuerungstechnik außerhalb des Glases, direkt an den Verbund montiert, zumeist in einer Box entlang der Längsseite. Jetzt hat es das nordrheinische Unternehmen geschafft, das Steuerungselement komplett vom Glas zu trennen und es separat zu steuern. Die Weiterentwicklung ist bereits zum Patent angemeldet; ein Prototyp wird auf der diesjährigen glasstec vorgestellt. Peter Platz Spezialglas fertigt die Scheiben nach Kundenvorgaben, vom Glaszuschnitt bis zur Endkontrolle erfolgt die komplette Herstellung im eigenen Werk in Wiehl-Bomig bei Köln.

Schaltbare Fenster zum Energiesparen

Die Lösung für die Karlsruher Fassade stammt vom Darmstädter Hersteller Merck. Sie basiert auf der Flüssigkristall-Technologie Liquid Chrystal Windows (LCW). Aus einer herkömmlichen Verglasung werden so schaltbare Flächen, die je nach Lichteinfall stufenlos dimmbar sind – ganz oder auch segmentiert.

Leitfähige Beschichtungen

Die Fenster mit der LCW-Technologie von Hersteller Merck regulieren durch unsichtbare leitfähige Beschichtungen die Durchlässigkeit der Scheibe für sichtbares Tageslicht und Sonneneinstrahlung. Ein Schaltprozess bestimmt dabei sofort und gleichmäßig die Ausrichtung der Flüssigkristall-Moleküle der so genannten Licrivision-Technologie auf der Fläche. Die Scheiben lassen sich mithilfe eines Gebäudemanagementsystems an verschiedene Sensoren anschließen, beispielsweise zur Messung der Helligkeit. Sie sind aber auch individuell regulierbar. Die Verglasung ist so gut wie wartungsfrei. Schaltbare Fenster sind zudem Energiesparer: Sie reduzieren den Wärmeeintrag durch Sonnenlicht und machen weniger Kühlung notwendig.