Nachhaltigkeit als großes Thema Die Fachtagung der Schweizerischen Zentrale Fenster und Fassaden

Um Trends in der Fassade ging es bei der Fachtagung der Schweizerischen Zentrale Fenster und Fassaden (SZFF). Im Mittelpunkt stand die auf mehr als 2.800 Meter gelegene Monte-Rosa-Hütte.

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Nachhaltigkeit ist das Thema, das die Baubranche und damit auch die Glas-, Fensterund Fassadenspezialisten derzeit wie kein zweites umtreibt. Dabei geht es darum, ein Gebäude als System zu sehen, zu verstehen und vormals einzeln betrachtete Elemente zu einem möglichst energieeffizienten Zusammenspiel zu bringen. Dass ein Beispiel für jenes zukunftsfähige Bauen ausgerechnet auf mehr als 2.800 Meter in den Schweizer Bergen scheinbar mühelos realisiert worden ist, macht Mut. Die 250 Besucher der Fachtagung „Trends in der Fassade“ der Schweizerischen Zentrale Fenster und Fassaden (SZFF) zeigten sich in Luzern begeis tert von dem einmaligen Projekt. Schwerpunkt der Veranstaltung bildete die Präsentation der Neuen Monte-Rosa-Hütte – ein Gemeinschaftsprojekt der ETH Zürich, des Schweizer Alpenclubs (SAC) und der Hochschule Luzern für Technik & Architektur.

SZFF-Geschäftsführer Markus Stebler sprach von einem „Meilenstein“ und einem „Lernobjekt“ für hochalpines Bauen, bei dem die Anforderungen an Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu 200 Prozent umgesetzt worden seien: „Dabei waren die Ansprüche ungleich höher als in mittleren Höhenlagen.“ Trotzdem seien mit der neuen Berghütte wegweisende Technologien in Entwurf, Berechnung und Fertigung umgesetzt worden. Das Ergebnis ist ein innovatives Architekturkonzept. Nichts erinnert mehr an die frühere Monte Rosa Hütte, die erstmals 1895 als einfache Holzhütte gebaut und danach mehrfach erweitert worden war. „Diese Hütte machte zwar von außen einen wehrhaften Eindruck, war aber innen in einem desolaten Zustand“, berichtete Marcel Baumgartner.

Der Architekt stellte den auf knapp 300 Meter gelegenen „wunderbaren Ort“ im Kanton Wallis und dessen typische Insellage fernab jeglicher Versorgungsnetze und Infrastruktur vor. „Wir hatten weder Straßen noch Kanalisation.“ Alle Bauteile, allen voran der im Tal vormontierte Stahltisch und die 420 Holzteile für den Holzbau, brachte ein Hubschrauber zur Baustelle. Immerhin besteht die Tragstruktur der Neuen Monte-Rosa-Hütte aus einem fünfgeschossigen, segmentförmig aufgebauten Holzrahmenwerk. „Durch den Holzrohbau konnten wir die Dichtigkeit der Fassade gewährleisten.“ Im zweiten Schritt stülpten Handwerker eine Haut aus Aluminium darüber. „Wir haben uns bewusst für eine verhältnismäßig schlechtere Gebäudehülle entschieden und stattdessen auf höherwertige Photovoltaikelemente gesetzt“, erläuterte Dipl.-Ing. Matthias Sulzer. Das Konzept der hochgedämmten Fassade entspringt einer Mischung aus Energiespar- und Energiegewinnungsstrategie. Die facettenartige, metallische Hülle besetzten die Spezialisten an der Südfassade mit Photovoltaikpaneelen, die das Gebäude aktiv mit der notwendigen Betriebsenergie versorgen. Um das gesamte Gebäude herum windet sich ein spiralförmiges Glasband, das bei der Firma Wicona konstruiert wurde. Es folgt der Sonne, so dass im Essraum und im Raum der Kaskadentreppe einstrahlende Sonnen - wärme anfällt, die im Gebäude mittels Ersatzluftanlage verteilt werden kann. Roland Weiss, Technikleiter bei Wicona, erläuterte, dass in die Brandschutzfassade erstmals Dreifachisolierglas (Glas Trösch) mit Feuerwiderstandsklasse E30 sowie der Sonnenschutz Silverstar Select eingebaut wurden. Den Verhältnissen auf knapp 3.000 Meter sei mit Durchfallschutz und extremem Wärmeschutz Rechnung getragen worden. Sulzer betonte, dass die Innovation nicht in den einzelnen Elementen liegt, sondern im Zusammenspiel zwischen der guten Hülle und den Solarzellen (22 Prozent Wirksamkeit), das Potenzial für das Festland hat. Das System ist auf unterschiedliche Wetterlagen und die saisonal schwankenden Gästebuchungen abgestimmt. An der Neuen Monte-Rosa- Hütte könne trainiert werden, wie ein Gebäude, das selbst Energie produziert, speichert und verbraucht, autark funktioniert. Die Vision der Schweizer ist es, auch auf dem Festland eine dezentrale Energieversorgung mithilfe cleverer Energiemanagementsysteme umzusetzen.

Zahlen, Daten, Fakten

Gebäude: fünfgeschossiger, segmentförmig aufgebauter Holzbau, periphere Kaskaden - treppe, umlaufend Panoramafenster
Platz: 18 Gäste-/Bergführerzimmer mit 120 Schlafplätzen, zehn Reserveplätze
Fassade: Aluminiumfassade mit mineralischer Dämmung, Fensterband als Pfosten- Riegel-Konstruktion mit Dreifachverglasung, Photovoltaik als fassadenintegrierte Pfosten-Riegel-Konstruktion, Dachflächenfenster
Peak-Leistung Photovoltaik: 15,6 kW

GFF hat nachgefragt bei Daniel Meyer, Hochschule Luzern

GFF: Herr Meyer, wieso ist die Fassade ein Bauteil mit großem Zukunftspotenzial?
Meyer: In der Zeit der globalen Erwärmung, der immer knapper werdenden fossilen Energieressourcen und der daraus entstehenden Forderungen nach Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ist die Fassade wohl jenes Bauteil mit dem größten Potenzial, sich in naher Zukunft entscheidend weiterzuentwickeln und zu verbessern. In den modernen Fassaden liegt einer der wichtigsten Schlüssel für energieeffiziente und nachhaltige Gebäude.

GFF: Fassaden zählen zu den komplexesten Bauteilen und müssen jede Menge Funktionen erfüllen. Welche sind das?
Meyer: Fassadenkonstruktionen schützen vor Sonne, Wind, Wetter und leiten Lasten sicher in das Haupttragwerk. Zudem prägen sie in ihrer Form und mit ihrer Materialisierung den Ausdruck eines Gebäudes signifikant und gestalten die Umgebung. Fassaden müssen auf engstem Raum eine Vielzahl von Funktionen wie Wärmedämmung, Luft- und Schlagregendichtheit, Sonnenschutz, Tragsicherheit und Tauglichkeit gewährleisten.

GFF: Wie sieht die Fassade der Zukunft aus?
Meyer: Künftig werden ganze Haustechnikkomponenten und -leitungen sowie Photovoltaik oder Sonnenkollektoren in die Fassaden integriert. In der Entwicklung innovativer Fassadenkonzepte und -systeme ist es angebracht und überaus zweckmäßig, Versuche, aber auch Forschung durchzuführen.

GFF: Wozu Versuche?
Meyer: Versuche geben Aufschluss über das Verhalten der Klebeverbindung einer Verbundkonstruktion, die Resttragfähigkeit eines Verglasungssystems, das Verhalten von Fassaden materialien oder das Trag- und Verformungsverhalten eines Gesamtsystems. Zur Verifikation der Fragestellung werden Bauteilversuche durchgeführt.