Druckausgleich in Mehrscheibenisolierglas Den Druck rausnehmen

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Iso-Aufbauten bestechen durch ihre Wärmedämmeigenschaften. Ihr Aufbau führt manchmal zu einem Über- oder Unterdruck im Scheibenzwischenraum (SZR). Um das zu vermeiden, forscht die Branche und entwickelt neue Produkte – aber eine Allround-Lösung gibt es bisher nicht.

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    Klimalasten zählen zu den natürlichen Feinden von Iso-Aufbauten.
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    © Swisspacer
    Entscheidungshilfe für den Einsatz von Swisspacer Air: Der Aufbau des Isolierglases für die Verwendung von Swisspacer Air ist in Ordnung, wenn dieser für alle sieben Punkte auf der Liste im grünen Bereich liegt. Sollten einer oder mehrere Punkte im orangefarbenen Bereich oder darüber hinaus liegen, dann sollte der Fachmann die Swisspacer-Technik zur weiteren Einschätzung kontaktieren.

Eine verformte Scheibe oder eine verzerrte Optik sind mögliche Ergebnisse, wenn der Druck im Scheibenzwischenraum (SZR) eines Mehrscheibenisolierglas (MIG)-Aufbaus sich zu stark vom Druck in der außen liegenden Atmosphäre unterscheidet. Das Problem tritt bei Ortshöhendifferenzen zwischen Herstellungs- und Einsatzort oder auch bei wetterbedingten Temperaturveränderungen auf. Da Isolierglas jedoch durch eine gute Wärmedämmung besticht, suchen Hersteller nach Wegen, diese Effekte zu mindern – also für einen Druckausgleich zu sorgen. Eine bekannte Lösung sind Ventile und Kapillaren in Abstandhaltern, die den Druck über verschiedene Mechanismen abbauen. Das ift Rosenheim forschte 2015 u.a. mit Unterstützung der Isolierglasgruppe Sanco und dem Fensterbauer Finstral zu druckentspanntem Mehrscheibenisolierglas (DEMIG). Auf den Rosenheimer Fenstertagen 2016 verkündete das ift, ein weiteres Forschungsvorhaben in Angriff zu nehmen. Darin wollte das Institut die Möglichkeiten des Druckausgleichs mit Ventilen weiter erforschen (Näheres dazu lesen Sie im Interview „Kurz gefragt“ auf Seite 98).

Ein Ergebnis des Forschungsvorhabens von 2015 lautete, dass es keine Lösungsansätze zur dauerhaften bzw. zur einmaligen Druckentspannung eines MIGs gebe, die eine breite Anwendung im Bauwesen finden würden. „Das Forschungsvorhaben zeigt, dass kein System universell einsetzbar ist“, sagt dazu Florian Lindlbauer, Leiter der Sanco Beratung. „Wenn es aktuell auf dem Gebiet wirklich etwas Neues gibt, dann ist es aber der Swisspacer Air.“

Kein Ventil, keine Kapillaren, eine Membran

Swisspacer bietet mit seiner Lösung Swisspacer Air ein Bauteil, das im Abstandhalter verschraubt wird und aus einer Metallhülse mit integrierter Spezialmembran besteht. Sie sorgt bei Klimalasten für einen Druckausgleich zwischen dem luftgefüllten SZR des Iso und der Umgebungsluft. „Im Vergleich zum Kapillarröhrchen lässt das Bauteil die Luft langsam und kontrolliert herein und heraus. Erst bei Über- oder Unterdruck lässt es Luft in die eine oder andere Richtung durch“, sagt Karl-Theo Roes, Leiter Marktentwicklung und Innovationen bei Swisspacer. „Der Aufbau gewährt, dass nicht zu viel Wasserdampf in den SZR gelangt und das Trockenmittel somit nicht übermäßig beladen wird. Denn sonst würde im SZR bald Tauwasser entstehen, und die metallischen Low E-Beschichtungen könnten korrodieren.“ Durch den permanenten Druckausgleich bewahre das Isolierglas langfristig seine Funktion und Qualität. Zudem seien mit Swisspacer Air größere SZR möglich, womit sich für Dreifach-Isoliergläser die fehlende Dämmwirkung des Edelgases in Hinblick auf den Ug-Wert ausgleichen lasse.

Bis zur glasstec 2018 testete Swisspacer das Produkt eigenen Angaben zufolge ausgiebig. Dabei habe sich gezeigt, dass Swisspacer Air sich nicht nur dazu eignet, Isolierglas ohne Probleme über Täler und Berge zu transportieren. „Swisspacer Air unterstützt ebenso gut in Systemen, in die beispielsweise Jalousien integriert sind“, sagt Roes. „Ein häufiges Problem bei diesen Anwendungen besteht darin, dass wegen des großen SZR viel Gasvolumen auf Temperaturänderungen reagieren muss, was zu deutlichem Ein- oder Ausbauchen der äußeren Scheiben führt. Dann bleibt die Jalousie möglicherweise stecken, ist nur schwierig zu bedienen und zerkratzt dabei vielleicht noch Beschichtungen und das Glas.“ Swisspacer Air leiste insbesondere bei dieser Anwendung gute Arbeit.

Anwendungen vereinfachen

In Glasfassaden habe Swisspacer Air sich ebenfalls als nützlich erwiesen. „Bei großen Glasflächen nimmt man die optischen Verzerrungen, die aufgrund von Klimalasten entstehen, deutlich wahr“, sagt Roes. „Wir können zwar nicht ganz verhindern, dass solche Verzerrungen kurzfristig entstehen, aber Swisspacer Air verringert das Problem.“ Dies hänge vor allem damit zusammen, dass Swisspacer Air den Druck langsam ausgleiche und sich daher insbesondere für saisonale Klimaveränderungen eigne. Aktuell beschäftigt man sich bei Swisspacer auch mit einer weiteren neuen Anwendung. „Gerade bei kleinen Abmessungen, wie beispielsweise für Keller- oder Toilettenfenster, sehen wir ein großes Anwendungspotenzial. Dasselbe gilt auch für kleine Isoliergläser in flügelüberdeckenden Haustüren“, sagt Roes. Er spricht dabei von Kantenmaßen von 500 Millimeter oder weniger. Diese Gläser würden häufiger brechen, da sie Druckunterschiede nicht über ein Durchbiegen der Scheiben ausgleichen könnten. „Bisher griff man in diesen Fällen oft zu ESG, aber wir sehen, dass mit Swisspacer Air auch in vielen Fällen ein Einsatz von Floatglas möglich sein sollte.“

Das Unternehmen möchte Anwendern einfache Entscheidungskriterien für die Nutzung von Swisspacer Air zur Verfügung stellen. „Daher haben wir eine grüne Liste entwickelt, die die Grenzen absteckt, innerhalb derer der Einsatz unserer Lösung empfehlenswert ist“, sagt Roes (siehe Seite 97). Für mehr Sicherheit sorgt das Unternehmen übrigens auch, indem es den Swisspacer Air vom TÜV Rheinland nach DIN EN 1279, Teil 2, prüfen ließ. Das ift Rosenheim unterstützt den Schweizer Hersteller bei einer Lebensdaueranalyse durch die Simulationen und Messungen.

Swisspacer Air zeigt, dass die Branche weiter nach einer Lösung sucht, mit der sich einfacher Druck aus Iso-Aufbauten nehmen lässt. „Wenn sich der Swisspacer Air jetzt noch für Gas eignen würde, dann wäre das eine eierlegende Wollmilchsau“, sagt Lindlbauer. Mit einer Gasfüllung erreicht man bei MIG-Aufbauten einen besseren Wärmedämmwert. „Der Druckausgleich bei Iso ist jedoch eher ein regionales Problem“, ergänzt der Leiter der Sanco Beratung. „In der Region Memmingen oder in Südtirol ist das schon öfter ein Thema, in Hamburg eher weniger.“