Schwerpunkt Passivhaus Clever: So fertigen Sie ab morgen Passivhausfenster

Der weltumspannende Baustandard Passivhaus war ein zentrales Thema am zweiten Tag der GFF-Praxistage. Dr.-Ing. Benjamin Krick und Franz Freundorfer zeigten eindrücklich auf, wo für kleine Fensterhersteller die Potenziale liegen.

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    Dr.-Ing. Benjamin Krick (li.) und Franz Freundorfer erläuterten, wie Fensterbauer die Nische Passivhaus für sich nutzen.
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    Revolution 68: Die Innenseite des Flügels rückt vor dem Umfälzen nach außen, das Profil nimmt ein Dreifach-Isolierglas auf.
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    Mit den Änderungen am Flügel und einer neuen Regenschiene erreicht das IV 68-Fenster eine sehr gute Wärmedämmung.

Passivhäuser sind nachhaltig. Das stellt Dr.-Ing. Benjamin Krick vom Passivhaus Institut (PHI) Darmstadt gleich zu Beginn seines Vortrags „Passivhaus – Aktualität des weltumspannenden Standards und Chancen, die sich daraus für das Handwerk ergeben“ klar. Zwar seien die Investitionskosten im Vergleich zu einem herkömmlichen Haus höher, über den Lebenszyklus hinweg profitiere der Nutzer aber vom geringen Energiebedarf und somit von den niedrigen Betriebskosten. „Neben einer verringerten Umweltbelastung verbessert sich die Versorgungssicherheit, da regionale Akteure mit erneuerbaren Energien den Bedarf decken können“, nennt Krick als weitere Vorzüge.

Von höheren Umsätzen profitieren

Ein Passivhaus ist ein Gebäude, dessen Jahresheizwärmebedarf geringer ist als 15 kWh/m²a und dessen Gesamtenergiebedarf unterhalb von 60 kWhPER/m²a liegt. Dazu braucht es eine sehr dichte Gebäudehülle – und hier kommt der Fensterbauer ins Spiel. „Das Fenster ist das schwächste Glied in der Gebäudehülle, bringen Sie daher neue, verbesserte Produkte auf den Markt und profitieren Sie von höheren Umsätzen“, betont Krick. In diesem Sinn rät er dazu, die Wertschöpfungskette zu verlängern und beispielsweise die Verschattung ins Fenster zu integrieren oder eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung am Fenster umzusetzen.

Welches Potenzial sich allein durch den Fenstertausch heben lässt, rechnet der Experte an einem Musterprojekt vor. Liegt der Jahresheizwärmebedarf bei einem Passivhausfenster mit Zweifach-Verglasung (696 Euro) noch bei 17 kWh/m²a, lässt sich dieser Wert – und damit auch der CO2-Verbrauch – durch eine verbesserte Konstruktion mit Vierfach-Verglasung (994 Euro) bereits halbieren. „Ihre Fenster eröffnen dem Planer einen großen Spielraum“, weist Krick mit Blick auf das Ergebnis hin. So lasse sich die Dicke der Wärmedämmung in Abhängigkeit vom Fenster variieren. Weitere Zahlen: Laut Krick lässt sich – als Referenz dient ein Altbau-Fenster – allein durch bessere U-Werte des Rahmens der Gesamtenergiebedarf in Deutschland um siebeneinhalb Prozent reduzieren. Zusammen mit besseren Verglasungen lassen sich 23 Prozent einsparen. Interessant ist das vor dem Hintergrund, dass in deutschen Haushalten zirka 22 Prozent der Raumwärme über die Fenster verlorengehen. „Ab 23 Prozent hilft das Passivhausfenster beim Heizen“, erklärt der PHI-Experte.

Gelingen der Energiewende hängt auch am Fensterbauer

Noch mehr Zahlen: Jeder Mitarbeiter eines Betriebs, der 375 Quadratmeter Passivhausfenster pro Jahr herstellt anstelle der Standardfenster mit Zweifach-Verglasungen, spare je nach gewählter Konstruktion 1.250 bis 2.040 Liter Öl ein. „Sie als Fensterbauer sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende“, sagt Krick.

Passivhausfenster herzustellen, lohnt sich also auf verschiedenen Ebenen. Das PHI unterstützt Betriebe bei der Entwicklung ihrer Produkte und stellt am Ende des Verfahrens ein Zertifikat aus. Aktuell sind mehr als 870 Komponenten zertifiziert. „Die Zertifizierungen erfreuen sich weltweit wachsender Beliebtheit. Erschließen Sie sich so neue Märkte für Ihr Unternehmen“, empfiehlt Krick. Wer jetzt von der Idee angetan ist, Passivhausfenster zu fertigen, aber hohe Investitionskosten für den Maschinenpark scheut, den belehrt im Anschluss Franz Freundorfer, Fensterentwickler und Geschäftsführer der Kooperation Smartwin, eines Besseren. „Investieren Sie in das Produkt, nicht in die Maschinen“, leitet er seinen Vortrag „Passivhausfenster – eine Perspektive für kleine und mittlere Fensterbauer?“ ein. So haben kleinere Holzfensterhersteller mit dem Standardsystem IV 68 (oder auch IV 88) die Chance, zukunftsfähige Modelle auf Passivhausniveau zu fertigen – mit geringen Investitionskosten.

Revolution mit IV 68

Möglich macht das eine Idee, die bekannte Technik innovativ einsetzt: Der Fensterbauer dreht den Flügel einfach um 180 Grad, legt ihn also umgekehrt auf die Umfälzmaschine zur Bearbeitung. Damit rückt die Innenseite nach außen; dort setzen die Produzenten eine neue Glasleiste ein. Durch die Drehung nimmt der Flügel Scheiben in einer Dicke von bis zu 50 Millimeter (bei IV 88 bis zu 60 Millimeter) auf. Zum Abschluss der Entwicklung an der Außenseite setzt der Hersteller eine Schale aus Holzfaserdämmstoff oder anderen, wärmedämmenden Materialien sowie eine neue Regenschiene auf. Den Rahmen überdämmt der Monteur beim Einbau in eine Fassade mit Wärmedämmverbundsystem (WDVS).

Kooperationen eingehen

Seine Lösung nennt Franz Freundorfer Revolution 68. Der Ansatz eliminiere zwei Wärmebrücken: den Glasrandverbund beim Anschluss zur Wand hin mit schlechtem Psi-Wert der Einbaufuge und den Wärmeverlust über den Rahmen. Die Investitionskosten halten sich laut Freundorfer in Grenzen. „Wenn Sie wollen, bauen Sie ab Montag Passivhausfenster der Klasse phA“, ruft der Entwickler den Teilnehmern am Samstag der GFF-Praxistage mit großer Euphorie entgegen. Um Kosten z.B. für Prüfungen zu sparen, empfiehlt er interessierten Fensterbauern, bei der Entwicklung miteinander zu kooperieren.

Freundorfer selbst hat bereits weitere Entwicklungen in der Pipeline. Dazu gehören u.a. ein Ansatz, bei welchem der Fensterrahmen Teil der Wandkonstruktion ist – für schmale Konstruktionen und hohe solare Gewinne – und eine Lösung, die bezahlbar das Thema Lüftung integriert.