Sonderschau glass technology live Bis an die Grenzen des Machbaren

Zum 25. Messejubiläum präsentierte sich die glas technology live in frischem Outfit. Um neue Impulse zu setzen, organisierte diesmal ein Hochschulnetzwerk die Sonderschau. State-of-the-Art-Lösungen und experimentelle Forschungsprojekte inspirierten das Fachpublikum.

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    Rund anderthalb Tonnen schwer ist das Fahrzeug, das auf dem Kopf stehend an nur zwei ultradünnen Glasscheiben pendelt.
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    Multifunkitonale Isoliergläser mit einer Wölbung zieren die Elbphilharmonie.
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    Multifunkitonale Isoliergläser mit einer Wölbung zieren die Elbphilharmonie.
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    Das mit knapp 30 Zentimeter dickste Laminat der Welt besteht aus 18 Einzelgläsern.
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    Der Demonstrator von Merck bestand aus 50 Dreiecksgläsern, rund 1,4 mal 1,4 Meter, getragen durch eine Stahlkonstruktion.

Unter dem Motto Inspired by Innovation zeigten fast 50 Aussteller in Halle 11 wegweisende Technologien und Anwendungen aus den Bereichen interaktive Fassaden/Display Glas, Energie und Performance, konstruktives Glas sowie Verbinden durch Kleben. Für frischen Wind sorgte die Erweiterung der Netzwerkpartner auf die vier Technischen Universitäten (TU) Darmstadt, Dresden, Delft und Dortmund, die Einblicke in die wissenschaftliche Glasforschung ermöglichten.

Auf den Kopf gestellt

Um Schwerkraft ging es bei dem Exponat Gravity, einem auf dem Kopf stehenden Auto, das lediglich an zwei dünnen Glasscheiben hing: Das Gemeinschaftsprojekt von Define Engineers, Carpenter Lowings und Seele sollte die technologischen Fortschritte in der Glasverarbeitung, Klebstoffentwicklung, Hochpräszisionstechnik und Fertigung aufzeigen. Die optisch und physisch leichte Struktur war hoch belastbar und kam ohne mechanische Verbindungen aus. Die einen Meter mal 2,20 Meter großen Verbundscheiben bestanden jeweils aus zwei Millimeter dicken teilvorgespannten und laminierten Glasscheiben. Die Verbindung mit dem Glas ist realisiert mit dem transparenten Silikonklebstoff Dowsil TSSA von Dow.

Gebogene Glassfassaden

Die 2017 eröffnete Elbphilharmonie hat dank der gebogenen, mehrfach beschichteten und bedruckten multifunktionalen Isoliergläser neue Maßstäbe gesetzt. Josef Gartner verkleidete das Hamburger Wahrzeichen auf einer Gesamtfläche von 16.000 Quadratmeter mit Glassfassaden, die an der Außenhaut spezielle Lichteffekte erzeugen. Bei der thermischen Biegung wurden die Gläser zunächst im planen Zustand für den Wärme- und Sonnenschutz beschichtet und bedruckt. Erst danach konnten sie einzeln bei Temperaturen zwischen 500 und 600 Grad Celsius gebogen werden. Von den 2.200 Scheiben der Elbphilharmonie wurden etwa 500 sphärisch gebogen mit einem Versatzmaß um 350 Millimeter nach innen bzw. außen. Laut Gartner handelt es sich um die ersten multifunktionalen Isoliergläser mit einer Wölbung entlang nur einer Glaskante. Jede Scheibe, die bis zu fünf Millimeter breit und drei Millimeter hoch ist, sei zudem ein Unikat mit unterschiedlichen Bedruckungen.

Weitere 1.700 Scheiben sorgen durch das eisenoxidarme Glas für eine klare Durchsicht. Fünf Meter hohe und 6,45 Meter breite Stimmgabeln aus Glasfaserkunststoff nehmen im Bereich der Konzertsäle je drei sphärisch gebogene Scheiben auf und öffnen die Fassade zur dahinter liegenden Loggia.

Auf Knopfdruck schalten

Als eines der ersten kommerziellen Projekte hat das Technologieunternehmen Merck die Fassade eines Erweiterungsbaus für den Leipziger Maschinenbauer Kirow mit seiner neuen Liquid Crystal Window-Technologie (LCW) ausgestattet. Die selbstverschattende Flüssigkristallverglasung entwickelt einen neutralen Grauton, der sich automatisch oder per Knopfdruck von hochtransparent zu einem sehr dunklen Grau schalten lässt. Auf der gtl präsentierte Merck einen 1:1-Teilnachbau des Originalbauwerks, das in Kürze fertiggestellt wird. Der Demonstrator bestand aus 50 verschiedenen Dreiecksgläsern, mit Abmessungen von ca. 1,4 mal 1,4 Meter, getragen durch eine Stahlkonstruktion. Alle Flüssigkristallgläser waren einzeln schaltbar und stellen, von speziellen Steuergeräten betrieben, das Potenzial der Technologie dar.

Das dickste Laminat der Welt

Das mit knapp 30 Zentimeter dickste Laminat der Welt, gefertigt aus 18 Einzelgläsern, demonstrierte Sedak. Mit dem Exponat wollte der Hersteller neue Gestaltungsmöglichkeiten im konstruktiven Glasbau aufzeigen. Das Ausstellungsobjekt aus 18 Lagen ESG-Glas mit einer Dicke von 15 Millimeter und einer Bruchspannung von jeweils mindestens 160 Megapascal sowie dazwischen liegenden Interlayern wog mehr als 3,6 Tonnen. Das blasen- und verunreinigungsfreie Glas hält höchsten Drucklasten stand und wahrte die Transparenz, denn die Gläser schmälern den Durchblick nicht.

Fassade erzeugt Bioenergie

Ein Team aus Wissenschaftlern testet und entwickelt seit 2015 Fassaden mit Algenbioreaktoren aus Glas in Kooperation mit Partnern aus der Industrie. Mithilfe der Sonnenstrahlen erzeugen die Bioenergiefassaden im Scheibenzwischenraum Biomasse. Die Konstruktion besteht aus einem konventionellen Mehrscheiben-Isolierglas und beinhaltet im SZR ein Gemisch aus Wasser, Mikroalgen und Nährstoffen. Um hydraulische Lasten bei der Befüllung abzutragen, entwickelten die Forscher lastabtragende Klebungen. Für die Fassadenintegration bietet ein modulares Baukastensystem Planern und Bauherren mehr Flexibiltität für intelligente Lösungen.