Aus der aktuellen Bestellkrise lernen und den eigenen Einkauf stabilisieren Berechtigte Preiserhöhung oder nicht – wo liegt die Grenze?

Preiserhöhung folgt auf Preiserhöhung: Zurzeit macht das Bestellwesen wenig Spaß, sagt Franz Freundorfer, Geschäftsführer von Pro Passivhausfenster. Am Beispiel der Einkaufssparten Glas, Holz, Beschlag und Aluprofile erläutert er, ab wann Forderungen von Lieferanten überzogen sind.

Steigt der Fensterkantel-Preis um 20 Prozent, schlägt sich das laut Franz Freun­dorfer auf den Fensterpreis mit zehn bis 15 Euro pro Quadratmeter Fenster nieder. - © Metzger

War es bisher eine Routinearbeit, die wöchentlichen Bestellungen aufzugeben, ist diese Aufgabe aktuell zur Last geworden. Preiserhöhungen gehören zum täglichen Mailverkehr. Aber was ist berechtigt und ab wann werden die Materialpreiserhöhungen unverschämt oder gar zur Abzocke? Franz Freundorfer möchte handwerklichen Fensterbauern helfen, diese Frage zu beantworten – um in der aktuellen Bestellkrise den Einkauf langfristig zu stabilisieren und zu verbessern.

Überzogene Preiserhöhungen: Handwerker als Leidtragende

Er greift dabei auf seinen eigenen Erfahrungsschatz zurück. Als Geschäftsführer der Handwerkerkooperation Pro Passivhausfenster, die Produktionslizenzen für das Fenstersystem smartwin vergibt, ist er für den Einkauf aller Systemkomponenten zuständig sowie in letzter Zeit auch für die Strukturierung des gemeinsamen Einkaufs der wichtigsten Fenstermaterialien wie Glas, Beschlag, Holz, Aluminium, Farbe und Silikon.

Was er dabei festgestellt hat: „Einige Marktteilnehmer im Rohstoffbereich bedienen sich vieler Halbwahrheiten, um den eigenen Gewinn übergebührlich zu steigern.“ Von diesem Vorgehen sei vor allem das kleinstrukturierte Handwerk betroffen, das nicht über die nötige Zeit und Professionalität im Einkauf verfüge, um die Preiserhöhungen richtig einzuschätzen. „Der Chef macht den Einkauf in Personalunion mit vielen anderen Tätigkeiten. In Zeiten wie diesen braucht man aber deutlich mehr Zeit, um bei den Einkaufspreisen nicht unter die Räder zu kommen“, mahnt Freundorfer.

Einkaufspreis als wichtiges Kriterium

Fehlt die notwendige Zeit, wie im Fensterhandwerk üblich, habe das Folgen: Der Fensterbauer lasse sich unter Druck setzen und akzeptiere kurzerhand überzogene Preiserhöhungen – was weitere Konsequenzen nach sich zieht. „Jeden Euro, den wir im Einkauf nicht einsparen können, müssen wir später mühsam verdienen“, sagt der Leiter der smartwin-Kooperation, der unabhängig von der aktuellen Rohstoffsituation prognostiziert, dass die Einkaufspreise im Fensterbau etwas anziehen werden. „Aufgrund der Energieverknappung werden wir um eine allgemeine Preiserhöhung im Fenstereinkauf von zwei bis drei Prozent nicht herumkommen.“

Praxistipps für den Einkauf: Der Weg durch den Preisdschungel

Während diese Preiserhöhung gut begründbar ist, kritisiert Freundorfer, dass aktuell einige Lieferanten unverhältnismäßig hohe Preissteigerungen durchsetzen und zu ihrem Vorteil nutzen möchten. „Sicher ist es nachvollziehbar, im Geschäftsleben mehr Geld für die gleiche Leistung haben zu wollen – die Baubranche ist zweifellos für stark steigende Baukosten bekannt. Dennoch ist eine Stabilisierung der Baukosten mittel- und langfristig unausweichlich für eine erfolgreiche Zukunft unserer Betriebe“, betont der Fensterexperte.

Anhand der für den Holzfensterbauer wichtigsten Einkaufssparten Glas, Holz, Beschlag und Aluprofile erläutert er im Folgenden in seinen eigenen Worten, wie sich Betriebe den Weg durch den Preisdschungel bahnen und ihren Einkauf verbessern können.

Holzhaus: 100.000 Euro teurer oder doch nur 3.500 Euro?

Wenn aktuell die Massivbaubranche dem Holzhausbau eine Kostensteigerung von zehn bis 15 Prozent und sich selbst eine Steigerung von fünf bis zehn Prozent prognostiziert, sollte jeder selbst entscheiden, wie hoch er mitpokert. Was damit gemeint ist: Ein als nachhaltig gelobtes Einfamilienhaus in Holzmassivbauweise benötigt zirka 100 Festmeter an Rundholz. Legen wir die maximale Verteuerung des Rundholzpreises im Sortiment Fichte/Tanne/Kiefer von 35 Euro zugrunde, wird das Haus um 100 mal 35 Euro teurer, also um 3.500 Euro.

Ausgehend von 800.000 Euro für das Traumhaus unserer Kunden werden nun aber 100.000 Euro an Mehrkosten prognostiziert und dem Häuslebauer angedroht. Das ist mehr als das 25-Fache.

Rundholzpreise auf Niveau von 2018

Die Rundholzpreise sind im Vergleich zum Jahr 2020 um 50 Prozent gestiegen, hört man überall. Dass die Rundholzpreise im vergangenen Jahr wegen hohen Käferbefalls auf einem für die Holzwirtschaft unerträglich niedrigen Niveau lagen, muss man schon selbst recherchieren (https://www.holzkurier.com/rundholz/2021/04/fi-ta-rundholz-preisbild-april-2021.html).

Nun befindet sich der europäische und auch der weltweite Rundholzmarkt zu 50 Prozent in den Händen weniger Oligopolisten. Diese versuchen aus der aktuellen Situation Kapital zu schlagen. In den amerikanischen Baumärkten stiegen die Preise für OSB-Platten in der Spitze um 300 Prozent. Auch deutsche Baumärkte kamen in die Versuchung, hier höhere Preise durchzusetzen.

Fensterkanteln bis zu 30 Prozent teurer eingekauft als nötig

Was hat das mit unseren Fensterkanteln zu tun? Grundsätzlich gar nichts, weil die Rundholzpreise ja lediglich auf das Niveau von 2018 zurückgegangen sind. Wir Fensterbauer haben im Frühjahr und Sommer unsere Holzlager vollgekauft, vulgo Hamsterkäufe, und damit zehn bis 30 Prozent teurer eingekauft als nötig.

Dazu ein Rechenbeispiel: Ich würde die Preissteigerung bei Fensterkanteln aktuell mit 20 Prozent ansetzen. Das schlägt sich auf den Fensterpreis mit zehn bis 15 Euro pro Quadratmeter Fenster nieder, was wiederum zirka drei Prozent beim Endkunden ausmacht. Bei den kleinen Fensterbauern haben die Lieferanten allerdings teilweise deutlich höhere Preissteigerungen von 50 Prozent und mehr durchgesetzt. Nun ist es Zeit, bei den Kanteln wieder zu den Preisen von 2019 und 2020 zurückzukehren. Unberechtigt angehobene Preise rutschen nicht automatisch auf das vorherige Niveau zurück.

Glas und Beschlag: Keine Gründe für deutliche Preiserhöhungen

In den Segmenten Glas und Beschläge existieren kaum Gründe, Preiserhöhungen zu akzeptieren, zumindest nicht, wenn diese über zwei bis drei Prozentpunkte liegen. Der Wissenschaftsjournalist Eckhart von Hirschhausen hat in einem Interview bekannt gegeben, dass in der Baubranche Sand, der Grundrohstoff unseres Fensterglases, knapp wird. Dabei gibt es Quarz doch sprichwörtlich wie Sand am Meer – vom Wüstensand einmal abgesehen.

Entwicklung des Aluminiumpreises

Kommen wir zum Aluminium für unsere Holz/Alu-Fenster. Der Aluminium-Preis lässt sich einfach recherchieren (https://www.boerse.de/historische-kurse/Aluminium/XC0009677839). Blicken wir bis ins Jahr 2012 zurück, ergibt sich das folgende Bild: 2012 lag der Preis pro Tonne Rohaluminium bei 1.750 Euro. Über lange Zeit ist er dann auf 1.250 Euro gesunken. Ab 2018 ist der Preis erstmals wieder auf 1.750 Euro geklettert. Mitte 2020 hatten wir wieder eine Talsohle mit 1.300 Euro. Im März 2021 ging es zunächst über die Marke von 1.750 Euro und seitdem weiter hinauf bis zu 2.400 Euro.

Greifen Sie zum Taschenrechner

Was hat die aktuelle Preiserhöhung pro Tonne Rohaluminium mit den Aluminiumpreisen unserer Fensterprofile zu tun? Ihre Küchenwaage verrät es Ihnen. Nehmen Sie eines Ihrer häufigsten Profile und wiegen Sie dieses. Nun errechnen Sie ohne großen Aufwand, wie viel die Erhöhung in Euro und Cent pro Laufmeter ausmacht.

Preissteigerung Ihres Profils pro Meter = gemessene Kilogramm (kg/m) x Preiserhöhung pro Tonne (EUR/t) / 1000 (kg/t)

Sie dürften bei Ihren Aluminiumprofilen auf eine Preiserhöhung von weniger als fünf Prozent in der Spitze kommen – dies ist abhängig vom Alugewicht pro Laufmeter und davon, ob Bearbeitungen oder Beschichtungen des Profils nötig sind. Meine Erfahrung: Die Alu-Systemgeber neigen zu kräftigen Preiserhöhungen. Der tatsächliche Mehrpreis, den unsere Alu-Lieferanten bei den Presswerken bezahlen, liegt eher niedriger als die Anstiege der Börsenwerte. Häufig werden die Preisschwankungen auch durch Devisentermingeschäfte am Alu-Rohstoffmarkt abgefangen.

Sachlich bleiben

Bleiben wir sachlich und besonnen. Nehmen Sie sich die Zeit und durchforsten Sie Ihren Lieferantenstamm. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, ersetzen Sie die allzu Gierigen und sehen Sie gelassen guten Partnerschaften zu Lieferanten mit ordentlicher Geschäftsmoral entgegen. Sollten Ihre Lieferanten mit Lieferstopp drohen, ist es höchste Zeit, für Ersatz zu sorgen. Unsere Arbeit muss heute und in Zukunft Spaß machen.

Welche Erfahrungen machen Sie im Einkauf? Pflichten Sie Franz Freundorfer bei oder haben Sie Einwände oder eine andere Meinung? Schreiben Sie uns an kontakt@gff-magazin.de .