Fensterbauer des Jahres 2018 – Friedrich Gehrig, Oberschleichach Am Konstruktionstisch nachts um halb zwei

Der Fensterbauer des Jahres 2018, siegreich beim von TSM GmbH – Die Marke Tischler Schreiner, EURO Baubeschlag-Handel (EBH) AG und Holzmann Medien mit GFF ausgeschriebenen Award, ist Friedrich Gehrig in Oberschleichach. Warum das so ist, lesen Sie hier – versprochen.

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    Was Gehrig Fenstersysteme produziert, ist nahe an der Handwerkskunst. Die konstruktive Vielfalt ist nicht limitiert durch die verfügbaren Werkzeugsätze. Eine weitere Voraussetzung ist die Tatsache, dass angefangen vom Holz alle Prozesse der eigenen Kontrolle unterliegen.
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    Friedrich Gehrig, Preisträger im Jahr 2018, zeigt GFF-Redakteurin Andrea Mateja, wo Urkunde und Award ihren Ehrenplatz gefunden haben.
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    Das ist eine Leimfuge, lautet Gehrigs Qualitätsanspruch. Das Einzige, was zu sehen ist, ist der Übergang zwischen den Hölzern.

„Jedes Objekt erfordert eine neue, konstruktive Herangehensweise“, lautet das Credo von Friedrich Gehrig. Die Augen des 56-jährigen Schreinermeisters leuchten, wenn er über Balthasar Neumann spricht, der einst im nahe gelegenen Fabrikschleichach mit italienischen Glasmachern Fenster für die Würzburger Residenz (Weltkulturerbe) produzierte. Kein Zweifel: Der Mann aus dem Steigerwald, wie er sich selbst nennt, weiß etwas anzufangen mit dem Werk vergangener Generationen. Seit dem 15. (!) Lebensjahr ist sein berufliches Thema das Fenster. Doch, auch das ist qualitätshandwerklicher Anspruch, sollen die Denkmäler früherer Jahrhunderte nicht ungenutzt zu ausgestopften Trophäen verkommen, müssen Bauteile heutigen Leistungsanforderungen wie Sicherheit, Schlagregendichtheit, Wärmedämmung genügen; deshalb wirkt der Fensterbauer des Jahres 2018 gerührt, als er vom Glückwunschschreiben Rüdiger Müllers zum Awardgewinn berichtet: Bis hin zur Beschusshemmung hat er für seine Entwicklungen Prüfzeugnisse vorliegen, viele stammen vom Institut in Stephanskirchen. An derselben Wand künden Pokal und Urkunde davon, dass die Jury für den Ehrenpreis des handwerklichen Fensterbaus im 56-Jährigen „die herausragende Unternehmerpersönlichkeit der Branche“ erkannte, der dieser Ehrentitel vorbehalten ist.

Es ist nur eine Handvoll Betriebe, die infrage kommt für Aufträge an Kulturgütern wie dem Münchner Polizeipräsidium Löwengrube, Kloster Banz oder dem Bayreuther Opernhaus. Auch ohne Webseite bekommt Gehrig die Ausschreibungen in der Regel von den Bauämtern zugeschickt. Tatsächlich „geben oft nur drei oder vier ab, manchmal ist es auch keiner“, sagt der Denkmalschutzspezialist. Dann beginnt die Detailarbeit, mit einem Ortstermin an der Seite des Auftraggebers. Immer wieder kommt es vor, dass der Fensterkonstrukteur recht schnell realisiert, dass nicht alle Vorgaben der Ausschreibung realiter auch funktionieren: „Manchmal würden die Fenstergriffe bei der geforderten Ausführung aneinanderstoßen; dann baue ich mit meinen Leuten ein Muster und führe das vor, damit lässt sich vieles in aller Ruhe beilegen“, sagt Gehrig. Verzieht sich allerdings später mal einer der eingebauten Flügel („Man steckt nicht in jedem Holz drin“), dann bietet der Handwerker einen zeitnahen Austausch an: „Es bringt mir doch nichts, mich vor Gericht mit der Behauptung herauszureden, die Ursache sei irgendein anderes Gewerk gewesen. Da muss man einfach mal zu einem Fehler stehen.“

Allzu viele können es nicht gewesen sein. Es ist noch nie passiert, dass ein Projektpartner die Vertragserfüllungsbürgschaft bei Gehrigs Bank beansprucht hätte. Dafür arbeitet der Inhaber des Betriebs mit elf Mitarbeitern, der zu 98 Prozent für die öffentliche Hand tätig ist, mit einer Sorgfalt, die an Akribie grenzt. Alles, jedes konstruktive Detail, zeichnet der Unternehmer, dessen zweite Leidenschaft die Jagd ist, vorher auf Papier, um danach die Teile zu fräsen und einen Eindruck davon zu bekommen, wie ein Design in der dritten Dimension funktioniert. Das geht nicht am PC und nicht ohne Try & Error, sagt der 56-Jährige, auch wenn „mich mein Weg dahingebracht hat, dass ich heute eine gute Vorstellungskraft davon besitze, wie etwas beschaffen sein muss, damit es in der Realität funktioniert“.

Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf

Die Uhrzeit spielt in diesem Prozess eine untergeordnete Rolle, ebenso wie die Örtlichkeit. „Oft sitze ich im Sommer abends noch auf dem Hochsitz und arbeite an diesen Aufgaben, indem ich meine Skizzen auf dem Notizblock anfertige. Aber es kommt auch vor, dass ich nachts um ein Uhr plötzlich wachwerde und glaube, die Lösung für ein Problem gefunden zu haben.“ Im Schlaf, so zu sagen: „Dann gehe ich runter in die Werkstatt, weil ich mir das in meinem Wohnzimmer nicht vorstellen kann.“ Friedrich Gehrig, der keinen Nachfolger hat, sagt ganz ohne Pathos: „Fenster – das ist doch mein Leben.“

Für diese Leidenschaft hat er den väterlichen Betrieb umgekrempelt, ohne die Lektionen des Seniors zu vergessen: „Eine perfekte Leimfuge ist nur durch den Übergang von einem Holz zum anderen erkennbar. Ist der Leim zu sehen und liegt das Ganze dann noch in der Bewitterungszone, ist das Todesurteil für das Fenster schon unterschrieben.“ Mit Friedrich Gehrig sen. zusammen hat der heutige Chef in den 80er-Jahren eine große Zahl Standardfenster in Frankfurter Wohnblöcke geliefert. Dann setzte der Preisverfall ein, „ich merkte, wie ich mit dem Rücken an der Wand stand.“ Der Unterfranke hat die Kraft zur Erneuerung, setzt auf eigene Konstruktionen – und ist durchaus stolz, dass er davon bei Bedarf mehrere Hundert liefern kann. Für den Qualitätsanspruch geht er keine Kompromisse ein, im eigenen Sägewerk schneidet er die Erzstämme aus den Bayerischen Staatsforsten zu, die dann über Jahre trocknen. Gut Ding will Weile haben.