GFF zu Gast bei Glas Scholz Alles nimmt zu, nur die Marge nicht

Seit 1999 produziert Dieter Scholz am Standort Elbe in Niedersachsen Isolierglas. In Verbindung zu dem Netzwerk, das heute Flachglas MarkenKreis heißt, steht er noch wesentlich länger.

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„Tragfähigkeit 22.000 Kilo“, steht in schwarzen Großbuchstaben auf dem Gestell des Lagersystems in einer Ecke der 20.000 Quadratmeter großen Halle. Von der Seite nähert sich lautlos und über die breiten Schienen an der Decke geführt der Beschicker. Wie in das Regal einer großen Bibliothek schiebt sich die Maschine, setzt behutsam die großen Saugnäpfe der Transportvorrichtung auf die vorderste Scheibe und fährt wieder zurück vor eine Art Tisch ohne Platte. Dafür sind im Inneren der horizontalen Fläche mehrere Stäbe zu erkennen, an denen wiederum jeweils bis zu zehn Rädchen ihren Dienst tun. Als der Beschicker anfängt, die massige Flachglasscheibe, ein Halbzeug, anzukippen, um sie auf besagten Tisch zu befördern, hält man unweigerlich den Atem an. Schließlich beginnen sich die Rädchen wie auf Kommando zu drehen und es geht in den Zuschnitt. „Jetzt die Nächste“, weist Dieter Scholz seinen Mitarbeiter an der Steuerung an. Zum Besucher gewandt, lässt er wissen: „Ich kann das auch schneller machen.“

Tatsächlich scheint der Beschicker plötzlich mit doppelter Geschwindigkeit zu arbeiten. Der Chef ist ein grauhaariger Brillenträger mit einem Karopullover, aus dem ein weißer Kragen hervorsteht. Zeit seines Berufslebens ist Glas sein Thema, 1972 als Lehrling und später als Kaufmann der längst pleitegegangenen Handwerksgenossenschaft EVG, anschließend als Minderheitsgesellschafter bei Glas Glötzer in Goslar, seit 1999 als selbstständiger Isolierglashersteller. Die ganze Zeit über – heute macht er mit 26 Beschäftigten fünfeinhalb Millionen Euro Umsatz – hält er seinem wichtigsten Lieferanten die Treue. „Mit Pilkington, damals noch der Flachglas AG, habe ich bereits zu EVG-Zeiten Geschäfte gemacht. Die hatten einfach gute örtliche Vertreter, so hat sich eine lange Bindung entwickelt“, sagt der Unternehmer. Heute sitzt er mit Martin Böger, Glas Risse, und dem Vorsitzenden sowie zweiten Geschäftsführer Michael Scheer im Flachglas-MarkenKreis-Vorstand. Dass aus dem ursprünglich als reines Vertriebsinstrument von Pilkington gegründeten und mit Lizenzen zur Verarbeitung der gelieferten Halbzeuge ausgestatteten Zusammenschluss längst eine eigenständige GmbH mit Flachglas Wernberg und einer noch vor dem Kauf der ehemaligen Pilkington-Anteile vor zwei Jahren gegründeten Genossenschaft Flachglas eG als Gesellschaftern geworden ist, daran hat Scholz einen erheblichen Anteil.

Im Rücken des Chefs kontrolliert ein Mitarbeiter mit einem Spachtel den Randverbund. Den überzähligen Dichtstoff streift er am Rand eines weißen Plastikkübels ab. „In ein paar Monaten“, sagt der Flachglas-Marken-Kreis-Vorstand, „entfällt das. Wir haben heute schon einen Dreifachglasanteil von 40 Prozent und richten darauf künftig die gesamte Produktion aus.“ Dass die Zeit zum Handeln gekommen war, erkannte Scholz auch 2006. In einer, wie es heute unter den inzwischen auf einen Stand von 41 angewachsenen Mitgliedern heißt, „legendären“ Sitzung hatte er als Beiratsvorsitzender im Dialog mit den damaligen Anteilseignern Pilkington und Flachglas Wernberg die Interessen der Lizenznehmer vertreten. Plötzlich lagen Pläne auf dem Tisch, dass die Ausschüttung an die Gesellschafter erhöht und ein Pilkington-Mitarbeiter als Geschäftsführer installiert werden sollte. Genossenschaftsfan Scholz trat kurzerhand zurück. Dabei hatte er das System Flachglas MarkenKreis immer gut gefunden. „Wer in unserer Branche als Einzelkämpfer unterwegs ist, der hat eingeschränkte Möglichkeiten“, lautet seine Überzeugung. Als sich die Mitglieder entschlossen, dem Lizenzgeber seine Anteile abzukaufen, erinnerte sich der Unternehmer aus dem niedersächsischen Elbe an die Organisationsform seiner Lehrzeit bei der EVG – und an seine Hausbank:

„Das ist die niedersächsische Genossenschaftsbank. Da sitze ich im Aufsichtsrat.“ Gemeinsam stiegen die Mitglieder so, vertreten in der Gesellschafterversammlung durch den Vorstand, von Lizenznehmern zu Anteilseignern auf. Klar, dass das Identifikation schafft: „Die Isolier- und Sicherheitsglashersteller sowie Handelspartner, zu denen mit dem Raumglas- Konzept jüngst die Glasbaupartner stießen, sind durch diesen Schritt näher an die- Systemzentrale in Gelsenkirchen gerückt“, findet Flachglas-MarkenKreis-Geschäftsführer Thomas Stukenkemper. Er sieht die wichtigsten Aufgaben der im Innenausbau längst auch Glas der AGC-Gruppe verarbeitenden Kooperation in der Systembeschreibung, Beratung zu Produkt- und Produktionstechnik, der bundesweiten Objektberatung und dem gemeinsamen Marketing. Dass sich der Flachglas MarkenKreis von einem Zusammenschluss mittelständischer Isolierglashersteller zu einem Glas-Netzwerk mit einem breit gefächerten Leistungsportfolio entwickelt hat, trägt der Inhaber von Glas Scholz aus tiefster Überzeugung mit: „Nur mit Isolierglas kannst du heute nicht mehr überleben“, sagt er. So beziffert er selbst den Anteil des Handelsgeschäfts am Umsatz seines Unternehmens mit 43 Prozent. Dabei kapriziert er sich auf hochwertige Produkte wie individuelle Beschlaglösungen, trendige Ganzglasschiebetüren und die farbenfrohen Lacobelgläser der AGC-Gruppe. Gerade was Glas im Innenausbau angeht, war Scholz einer der Impulsgeber für das inzwischen erfolgreich etablierte Raumglas- Konzept im Flachglas MarkenKreis.

Auch deshalb präsentiert sich das Glas-Netzwerk zum zehnjährigen Bestehen gut aufgestellt. Mit der Erkenntnis nicht hinter dem Berg gehalten Als Dieter Scholz am, vom Beschicker aus gesehen, anderen Ende der Produktionshalle den Besucher zum Ausgang geleitet, rennt ihn fast ein hektisch dreinschauender Mitarbeiter um. Er kommt von einem Monitor, auf dem er ganz offensichtlich etwas gesehen hat, was ihm missfällt. „Das da“, sagt der stoische Betriebsinhaber und deutet auf eine Maschine mit der Aufschrift „Soft-Solution“, „das da ist unser Scanner.“ Dem Unternehmer ist Genauigkeit wichtig, deshalb beschäftigt er für die Auslieferung ausschließlich eigene Lkw-Fahrer. Und aus dem gleichen Grund hat er diese unbestechliche Kontrollinstanz angeschafft – und weiterempfohlen. „Ich habe für mehrere Mitglieder den Kontakt hergestellt. Inzwischen haben sich viele Flachglas-MarkenKreis-Betriebe mit dem Scanner ausgestattet“, weiß er zu berichten. Tatsächlich lebt Scholz den Geist der Genossenschaft und die Kollegialität im Glas.

Was ihn nicht daran hindert, Isolierglashersteller zu kritisieren, die nach seiner Einschätzung mit einer ruinösen Kalkulation die Wertschöpfung aller Produzenten erschweren. „Wenn ich höre“, sagt er mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen, „dass sich Dreifach- angeblich so schnell herstellen lässt wie Zweifachglas, dann empfehle ich den Kollegen, sich mal an ihre Isolierglaslinie zu stellen.“ Für ihn, Scholz, ist es unverständlich, dass viele Wettbewerber mit niedrigeren Margen kalkulierten als beim Zweifachglas. „Ich komme etwa auf die gleiche Marge, und das ist ein Witz. Schließlich ist alles andere größer geworden: der Zeitaufwand, das Risiko sowie natürlich unsere Investitionskosten.“