Nachgefragt Achenbach: „Solange ich kämpfen kann, kämpfe ich.“

Eberhard Achenbach hat mit 64 Jahren nichts von seiner Entschlossenheit eingebüßt. Durch die jahrzehntelange Erfahrung aus Gesprächen mit Betrieben, von Baustellen- und Gerichtsterminen, weiß er, wann es zählt. Für die DIN 18008 engagiert er sich persönlich.

Willkommen in Bad Wörishofen: Die Redakteure Reinhold Kober (re.) und Matthias Metzger (li.) erhielten von Eberhard Achenbach ­Informationen aus erster Hand zum Normungsprozess für die DIN 18008. Den Film finden Sie in einer Kurzfassung auf unserer Facebookseite und im üppigen 18 Minuten (!)-Director’s Cut auf www.gff-magazin.de. - © Anna Rockenfeller

GFF: Herr Achenbach, Sie kommen gerade aus der Einspruchssitzung zur DIN 18008. Wie war’s?

Achenbach: Da ich von der Glaser-Innung Niedersachsen mit der Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder beauftragt war, habe ich die Fragen aufgeworfen, wie sie bereits in den GFF-Ausgaben 6/18 (S. 26 ff.; d. Red.) und 7-8/18 (S. 40/41) zu lesen waren: Wie ändern sich Lieferzeiten, wenn bis 0,8 Meter über Verkehrsfläche nur noch Sicherheitsglas einzusetzen ist, stehen überhaupt ausreichend Kapazitäten zur Verfügung? Wie ist vor Ort mit Haarkratzer-Diskussionen umzugehen, insbesondere nach einer Änderung der Glaserhandwerksnorm DIN 18361, die bisher „vereinzelt auftretende, nicht störende kleine Blasen und unauffällige Kratzer“ als zulässig erklärt hatte – zumal die Kratzeranfälligkeit als Problem mit ESG nicht kleiner wird (die visuelle Beurteilung von Glas im Bauwesen regelt die DIN 1279, auch hier sind Änderungen geplant – siehe 7-8/18, S. 40; d. Red.)? Wie sollen Glasbeschichter Bandmaße mit Soft Coatings beschichten, geht das bei ESG überhaupt? Und wie ändert sich das Geschäftsmodell der Fensterhersteller, wenn die Vorfertigung in Zukunft unmöglich erscheint?

Warum lassen sich die Elemente nach Inkrafttreten der verschärften Norm nicht mehr vorproduzieren?

Einfach aus dem Grund, weil Fragen zur voraussichtlichen Lasteinwirkung nicht im Vorfeld zu beantworten sind; Sicherheitsglas ist ja schon heute bspw. in Kindergärten vorgeschrieben, aber unter dem Vorbehalt, Laufgeschwindigkeiten und die Härte der womöglich einwirkenden Last zu bewerten. Dies ist im Vorfeld nicht zu ermitteln. Die Folgen der baurechtlichen Einführung der 0,8 Meter-Regelung sind: Unsicherheit für den einbauenden Betrieb, Ende der Planungssicherheit für den Beschichter und Fensterproduzenten, längere Wartezeiten für den Kunden.

Sind Sie mit dieser Argumentation durchgedrungen?

Zunächst sah es gut aus. Die Initiatoren seitens BF sagten mir, dass ESG und VSG für die künftige Ausführung bis 0,8 Meter über Verkehrfsfläche genannt gewesen seien, habe eher exemplarischen Charakter gehabt. Also haben wir nun formuliert, im Fall der Anwendung der 0,8 Meter-Regelung seien ESG, VSG oder ein gleichartiges Glas zulässig. Als in Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider der stellvertretende Obmann des Normenausschusses eintraf, machte er klar, dass die 0,8 Meter-Regelung nicht verhandelbar sei. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Inwiefern?

Ich habe mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass es sich bei der DIN 18008 eben um eine Stoff-, keineswegs aber um eine Ausführungsnorm handelt. Was aber sollen Glashersteller über die Ausführung des Elementeeinbaus sagen? ich werde diese Einmischung prüfen lassen, und zwar von einem Fachanwalt, und stehe hierzu ferner mit Handwerkskammern in Kontakt.

Oh. Das heißt, Sie sprechen dem Normenausschuss die Zuständigkeit ab, haben aber mit Ausnahme der nicht mehr auf VSG und ESG beschränkten Ausführung hinsichtlich des Entwurfstextes nichts erreicht?

Falsch. Zunächst einmal ist der Hinweis bedeutsam, dass auch künftig noch Glaserzeugnisse wie Verbundgläser, bspw. mit Schallschutzfolien, und Brandschutzgläser einsetzbar sind. Während bisher der Eindruck entstanden war, in den beschriebenen Anwendungen seien per se nur noch ESG oder VSG bis 0,8 Meter Höhe möglich. Vor allem, und das ist für die ausführenden Betriebe juristisch von zentraler Bedeutung, haben wir den Satz eingefügt: „Bei der Auswahl des Glases muss eine Risikoabwägung erfolgen.“

Was bedeutet das für das Glaserhandwerk, vor allem für den Fall, dass ein Unglück passiert, wenn nach vorheriger Abwägung Float eingebaut ist?

Sie haben die Antwort im Grunde selbst gegeben. Dann ist das Ganze juristisch betrachtet ein Unglücks- und damit ein Versicherungsfall. Hat der Glaser auf der Baustelle mit seinem Kunden darüber gesprochen, ob sich neben den in der Regel konstanten Faktoren wie Wind-, Schneelasten etc. die Form der Beanspruchung, etwa infolge einer anders gelagerten Nutzung, ändert – und hat der Bauherr dies verneint, dann besteht juristisch keine Notwendigkeit, ein anderes Glas einzusetzen als das, mit dem es die 30 Jahre vorher keine Probleme gegeben hatte. Fällt dann das Kind, von dem neuerdings immer die Rede ist, in die Scheibe, ist dem Glaser nicht notwendigerweise Fahrlässigkeit oder ein anderer haftungsrechtlich relevanter Aspekt vorzuwerfen.

Wie geht es weiter mit dem Normenentwurf, der ja nächstes Jahr bauaufsichtlich eingeführt werden soll?

Ich tippe auf übernächstes Jahr. Na, klar ist, die Fassung mit der Erweiterung der infrage kommenden Glaslösungen und dem wichtigen Verweis auf die Risikoabwägung hat jetzt erst mal so Bestand, bedarf aber sicherlich der Kommentierung.

Der BF hat dazu bereits angekündigt, diese Aufgabe in einem Arbeitskreis unter seiner Leitung angehen zu wollen.

Das ist klar (lacht). Noch einmal: Die Frage der Lasteinwirkung, über die sich der Normenentwurf nicht ohne Grund ausschweigt, ist klarerweise dem Komplex der Ausführung zuzuordnen. Ich bin mit Geschäftsführer Roger Möhle und dem Vorsitzenden Uwe Horn von der Glaser-Innung Niedersachsen übereingekommen, dass wir uns der Sache annehmen wollen, dazu haben wir einen Technischen Informations-Ausschuss (TIA) mit fünf Personen einberufen, damit keine Pattsituation entsteht.

Das bedeutet, die Glaser-Innung Niedersachsen, nicht Mitglied im BIV, gibt in Eigenregie einen Kommentar zur Anwendung der überarbeiteten DIN 18008 heraus?

Davon gehe ich aus. Wir können die Betriebe mit der Situation, wie sie entstanden ist, auf keinen Fall alleine lassen.

Aber auch der BF-AK wird etwas, mutmaßlich in der Tonalität anders gelagert, produzieren.

Ja, das wird so sein. Die Frage ist, was in der Rechtsprechung Widerhall findet. Ich möchte herausstellen, dass wir uns dem Dialog nicht verschließen. Die Einspruchssitzung hat gezeigt, dass die Stimme der ausführenden Betriebe gehört werden sollte, ehe man über Jahrzehnte funktionierende Abläufe infrage stellt. Solange ich kämpfen kann, kämpfe ich für mein Handwerk.