Berufsschule begegnet Fachkräftemangel mit Entschlossenheit und neuen Konzepten Abiturienten für eine Ausbildung gewinnen

Dass es für Abiturienten Alternativen zum Studium gibt, zeigt die Berufsschule im niederbayerischen Vilshofen. Überregionale Modellklassen gibt es im kommendenSchuljahr für Abi + Glaser/in, Abi + Schreiner/in sowie für Abi + Metallbauer/in.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, etabliert die Berufsschule Vilshofen ein neues Ausbildungsmodell: Abi + Ausbildung - © Zink

2030 wird es ein Defizit von vier Millionen Facharbeitern und einen Überhang von einer Million Akademikern geben. Das sagte Bayerns Ex-Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer anlässlich einer Schulhauseinweihung in Niederbayern. Christa Jungwirth, die Schulleiterin der Beruflichen Schulen Vilshofen, möchte der Situation entgegenwirken und Abiturienten Anreize bieten, eine Ausbildung zu absolvieren: „Viele sind handwerklich geschickt und wollen auch arbeiten. Dieses Potenzial müssen wir nutzen.“ Dabei sieht sie beide Seiten als Gewinner: die Betriebe und die Abiturienten. Mit fundierten Praxiserfahrungen und dem Know-how einer Ausbildung stünden den jungen Leute alle Möglichkeiten offen. Sie könnten studieren, als Geselle arbeiten oder den Meister bzw. Techniker anstreben. Zudem sei der Gesellenbrief ein beruflich und finanziell sicheres Fundament.

Um Abiturienten für die duale Ausbildung zu gewinnen, nutzt die Berufsschule Vilshofen das Modell Abi + Ausbildung. „Eine Lehrzeitverkürzung um ein Jahr, ohne dass der fachliche Unterricht gekürzt würde“, fasst Jungwirth die Vorteile zusammen. Damit muss sich der Schüler den Unterrichtsstoff nicht wie bei einer üblichen Lehrzeitverkürzung selbst aneignen. Eine eigene Abiturientenklasse ist laut Jungwirth homogen, die Schüler seien leistungsfähig und motiviert. „Unterforderung wie bei einer regulären Lehrlingsklasse ist kein Thema mehr“, sagt die Schulleiterin.

Zügig zum Meister

Auch das Image einer Abiturientenklasse spiele bei den jungen Leuten aus dem Gymnasium oder einer Fachoberschule eine gewisse Rolle. Speziell für Glaser will die Berufsschule im Sondermodell Abi + Ausbildung die zwei Zusatzmodule für CNC- sowie Elektro-Fachkräfte anbieten. Ein weiterer Pluspunkt: Die Handwerkskammer (HWK) bietet den Lehrlingen während ihrer Ausbildung die Teile III und IV der Meisterausbildung an. „Da ist der Meistertitel nicht mehr fern. Diese Gelegenheit, in derart kurzer Zeit die Meisterprüfung abzulegen, sollte sich keiner entgehen lassen“, sagt Tobias Stadler, zuständig für die Glaserausbildung an der Berufsschule Vilshofen.

Die jungen Glaser erhalten dann schon mit zirka 21 Jahren den Meistertitel. Das hat allerdings nicht nur Vorteile: „Das ist sehr früh“, geben Fachoberlehrer Andreas Hart und Josef Sailer, Leiter des Bildungszentrums der HWK Niederbayern/Oberpfalz, zu bedenken. „Die jungen Leute müssen sich erst noch den Meistertitel in der Praxis verdienen, ehe dem Titel auch eine verantwortungsvolle Position folgt.“

Engagement auf Berufsmessen

Nicht alle Lehrlinge bleiben nach Einschätzung von Jungwirth im Betrieb. Einige werden nach der Ausbildung ein Studium anstreben. Andere wiederum werden Geselle bleiben oder als Meister, Techniker oder Ingenieur in den Betrieb zurückkehren – und genau das sei das Ziel. „Nun liegt es im Verantwortungsbereich der Betriebe“, sagt Stadler. Sie müssten sich auf Berufsmessen in umliegenden Gymnasien und Fachoberschulen engagieren. „Dort können sie mit der verkürzten Ausbildungsdauer von zwei Jahren und den Zusatzangeboten werben.“ In Vilshofen sind die Verantwortlichen zuversichtlich, dass genügend Abiturienten für eine Klasse einen Lehrvertrag abschließen werden.